1) Was ist Gebet?
Das frohe Aufschaun eines frommen Blickes,
der Freudenträne stummer Dank
bei der Gewährung eines jeden Glückes,
das Gottes Vaterhuld uns gab:
dies Glück empfahn mit kindlichem Gemüte,
nicht als Verdienst, als Gottes freie Güte.
2) Was ist Gebet?
Der Seele tiefes, heiliges Entzücken,
wenn Gottes reiche Herrlichkeit
im Morgenrot, auf hoher Berge Rücken,
in Wald und Flur sich offenbart.
Voll hoher Andacht auf die Kniee fallen,
und ehrfurchtsvoll den Namen Gottes lallen.
3) Was ist Gebet?
Ergebungsvoll, die Hände still gefaltet,
wenn Lieb' und Sehnsucht einen Wunsch
zu ungestüm in tiefer Brust gestaltet,
sich wenden zu dem höchsten Thron:
'Nicht was ich unbedacht von dir erflehe,
dein Wille, heil'ger Vater, nur geschehe!'
4) Was ist Gebet?
In bangen Stunden, schweren Missgeschicken,
durch Erbenleiden unbesiegt,
mit freud'gem Gottvertrau'n nach oben blicken,
gehoben durch des Glaubens Spruch,
dass jede Schickung seiner Liebe Zeichen,
das Gram und Sorg' auf seinen Wink entweichen.
5) Was ist Gebet?
Die Rückerinn'rung tief empfund'ner Schmerzen,
von Bruderhand uns zugefügt,
voll Kraft ersticken in dein wunden Herzen,
und für den Feind mit frommem Ernst
zum Vater flehen in der Unschuld Weihe:
'Vergib, o Herr, wie ich ihm gern verzeihe!'
6) Was ist Gebet?
Die frommen Wünsche für das Wohl der Teuern,
die liebend unser Herz umfängt,
mit heit'rer Zuversicht vor Ihm entschleiern,
dem Urquell jeder Herrlichkeit,
und im Vertrau'n auf seinen milden Segen
in Gottes Hand das Glück der Seinen legen.
7) Was ist Gebet?
In der Versuchung schweren Prüfungsstunden,
wenn stürmisch jede Fieber bebt,
da sich der Sinne Herrschaft unumwunden
den Weg zum schwachen Herzen bahnt,
an dich, Allheiliger, voll Inbrunst denken,
und mutig Herz und Sinn zur Tugend lenken.