So sinkt denn zu den Scharen    

1) So sinkt denn zu den Scharen
von längst verflossnen Jahren
in stiller Dunkelheit
auch dieser meiner Tage,
mit seiner Lust und Plage,
ins weite Meer der Ewigkeit.

2) Schon hüllt voll Grabesschauer
die Nacht in tiefe Trauer
den Erdkreis und das Meer.
Doch klarheitsvoller funkelt,
von keiner Macht verdunkelt,
der lichten Himmelskörper Heer.

3) Dort schimmern tausend Sterne
in unermessner Ferne,
indes gleich einem Freund,
der Mond mit blassem Strahle
auf die bemoosten Male
der himmlischen Geliebten scheint.

4) In nächtlich grauer Hülle
senkt feierliche Stille
sich auf die öde Flur.
Es eilt vom Tagewerke
zur Sammlung neuer Stärke
auf's Lager jeder Kreatur.

5) Des Waldes Sänger schweigen
nun einsam auf den Zweigen,
erquickt von Schlaf und Ruh'.
Dort wallt in finstern Höhlen,
den Aufenthalt zu wählen,
das Wild den Wüsteneien zu.

6) Zwar schwelgt bei Freudenfesten
noch mancher in Palästen,
der Dank und Ruhe flieht.
Doch tönt in niedrer Hütte,
in seiner Kinder Mitte,
des frommen Landmanns Abendlied.

7) So eil auch ich durchdrungen
vom Dank in Dämmerungen,
Gott mein Gebet zu weihn.
Inbrünst'ger könnt' ich nimmer,
als jetzt beim Sternenschimmer,
des Weltbeherrschers mich erfreun.

8) Gott, groß im Abendschleier,
und groß im Sonnenfeuer,
das hoch am Himmel glüht!
Mein Gott, mein Vater, höre,
in deiner Engel Chöre,
mich jetzt dein Kind sein Abendlied.

9) Dass du des Lebens Freuden
und Mut und Trost im Leiden
voll Huld gewährtest mir:
dass, Gott, von dir gesegnet,
kein Unfall mir begegnet,
das alles, Vater, dank ich dir.

10) Vergib mir, wenn auf Erden
dir ähnlich, Gott, zu werden,
ich heute nicht gestrebt.
Vergib, du Gott der Gnaden,
wenn vor des Lasters Pfaden
ich standhaft nicht zurückgebebt.

11) Vergib mir, wenn ich heute
den Armen nicht erfreute,
der mich um Hilfe bat.
Wenn ich die Unschuld kränkte,
die stille Tugend drängte,
und wenn ich jemand Unrecht tat.

12) Lass auch in Finsternissen
mit ruhigem Gewissen
mich deiner Aufsicht freun.
Lass mich und meinen Kummer,
Allvater, dir im Schlummer
und deinem Schutz empfohlen sein.

13) In deine Hand geschrieben
sei jeder meiner Lieben,
wo er auch immer ruht.
Allmächtiger, bewahre
seine Leben vor Gefahren,
vor Räubern sein erworbnes Gut.

14) Doch sollte von den Meinen
jetzt jemand einsam weinen,
so tröste, Gott, sein Herz.
Sollt jetzt vielleicht verlassen
ein Freund von mir erblassen,
so lindre seinen Todesschmerz.

18) Befreit von seinem Harme,
schlaf jetzt erquickt der Arme.
Es stärke Gott mit Mut
den Fremdling, der alleine,
wie Jakob auf dem Steine,
von aller Welt verlassen ruht.

19) Soll diese Nacht auf Erden
zur Todesnacht mir werden,
wohlan, ist Gott bereit,
die Meinen zu versorgen,
so sing ich froh am Morgen
mein Danklied in der Ewigkeit!

Text:
Melodie: Nun ruhen alle Wälder