1) Sei nicht stolz, o liebe Seele,
die du dich des Glaubens rühmst
in der schwachen Leibeshöhle,
hier doch immerdar verblümst
deiner Laster Gräul und Wust
und stets Böses denkst und tust.
Fürchte dich, du hast's von Nöten,
Gott kann dich wie andre töten.
2) Hat er vormals nicht verschonet
jener Zweige, deren Stamm
er mit Lieb' und Treu belohnet
und sie in der Höllenflamm'
ohn' Erbarmen hingestürzt,
ihnen seine Gunst verkürzt.
Denke, wie er ohn' Verschonen
die noch leichter so kann lohnen.
3) Geh in deine Herzenskammer,
geh und sieh dich eigen um,
du wirst finden g'nug von Jammer,
schaue nur den bloßen Grimm,
den Gott hier hat an sein Kind
sehen lassen, dessen Sünd'
nicht sein, sondern unsre waren,
wie er hat mit dem verfahren.
4) Schaue neben Gottes Güte
auch den großen Ernst mit an
und das zornige Gemüte,
dass die Sünder hingetan
in die ewig' tote Nacht,
doch auch seiner Güte Macht
an dir, so du dich bekehren
willst und besser lassen lehren.
5) O Herr Jesu, meine Liebe,
zeige mir der Demut Pfad,
gib, dass ich mich hier betrübe
und erlange deine Gnad'.
Pfropfe mich, dein schwaches Reis,
in dir selbst zu deinem Preis.
Lass mich einig an dir kleben
und fort ewig mit dir leben.