Schuf mich Gott für Augenblicke?    

1) Schuf mich Gott für Augenblicke?
Nur für diesen Traum der Zeit?
Nur zu ihrem eitlen Glücke,
aber nicht zur Ewigkeit?
Spötter sagen: Nur ein Hauch
ist der Geist und schwindet auch,
wie ein Strahl in Nacht verschwindet,
dass man seine Spur nicht findet.

2) Bin ich, wenn ich sterben werde
völlig der Verwesung Raub?
Dieser Leib, ich seh's, wird Erde
und ein bald verwester Staub.
Ach, erreicht' ich hier mein Ziel,
hätt' ich alles Selbstgefühl,
alles Leben dann verloren:
lieber wär ich nicht geboren!

3) Ist dies Leben nicht zum Leben
einer bessern Welt der Pfad:
sagt, warum mir's Gott gegeben,
mir Vernunft gegeben hat?
Glücklich wär ich, hätt' er mir
sie versagt, so wie dem Tier,
das sich seines Lebens freuet,
seinen Tod nicht kennt, noch scheuet!

4) Sein, und dann vernichtet werden,
schrecklicher Gedanke, fleuch!
Oder, ihr Gewürm auf Erden,
neidisch seh ich hin auf euch!
Denn was nützte mir der Flug,
der so oft zu Gott mich trug?
Wärst du, Grab, das Ziel des Lebens:
dann hofft' ich auf Gott vergebens.

5) Nein, es soll mir meinen Glauben,
dass mein Leib nur sterblich sei,
keines Zweifels Blendwerk rauben
und kein Hohn der Spötterei!
Nicht vergehen, wie ein Rauch,
nicht verschwinden, wie ein Hauch,
kann mein Geist, des Ew'gen Gabe.
Ihn verweht kein Sturm am Grabe.

6) Nein, Gott schuf nicht Menschenseelen
bloß für einen Augenblick,
schuf sie nicht, um sie zu quälen:
Gott schuf sie zu ew'gem Glück.
Für das Leben schuf er sie,
Menschenseelen sterben nie,
selig machen oder richten
wird sie Gott, und nicht venichten.

7) Dieser heiße Durst im Herzen
nach der Unvergänglichkeit,
dieser Drang in Leid und Schmerzen
nach der Heimat aus der Zeit -
zeugen, Bürgen sind sie mir,
dass ich mich, mein Gott, zu dir,
dass ich einst, wohin ich strebe,
mich erheb und ewig lebe!

8) Du, o Schrecken im Gewissen
bei Verbrechern, du, o Ruh'
und, was Fromme nur genießen,
hoher Friede Gottes, du -
zeugen, Bürgen seid auch ihr,
wenn der Tod mich schrecket, mir,
wenn der Leib zerstäubt zu Erde,
dass mein Geist nicht sterben werde!

9) Ewig, ewig werd' ich leben!
Sicher der Unsterblichkeit,
streb ich, mich empor zu heben
Über jeden Traum der Zeit!
Wandeln will ich fest und still
jeden Pfad des Rechts und will,
was davon mich locket, hassen,
will die Ewigkeit umfassen!

Text:
Melodie: Freu dich sehr, o meine Seele