O Vater sieh, wie mich die Leidenschaft verwirret    

1) O Vater sieh, wie mich
die Leidenschaft verwirret:
mich reizet Feind und Welt,
mein Fleisch ist blind und irret,
drum steh mir durch den Geist
des neuen Bundes bei
und gib, dass Christi Bild
in meiner Seele sei.

2) Lass meine Liebe nicht
auf schnöden Körpern stehen,
lass sie allein auf dich
und meinen Nächsten gehen,
ja, wenn er auch mein Feind,
reiß aus das Selbst aus mir,
damit ich, was mir lieb,
nicht lieb, als nur in dir.

3) Lass mich kein eitel Ding
auf dieser Welt begehren,
gib mir auch Maß im Trank,
in dem, was mich soll nähren,
was mich bekleiden soll,
was mich bei Ehren hält,
damit ich nichts begehr
als dich auf dieser Welt.

4) Lass meine Hoffnung nicht
aus deinen Schranken gehen,
nicht hoffen, dass ich könnt'
ohn' dich durch mich bestehen,
nicht auf des Glückes Gunst,
noch meiner Feinde Tod!
Und was ich hoffen soll,
sei deine Gnad, o Gott!

5) Lass mich nicht freudig sein,
bloß aus Natur getrieben,
nicht in dem Glück allein,
nicht wenn mich andre lieben,
nicht in der Rache Grimm,
nicht bei Gewinn und Spiel,
nur deine Gnad' allein
sei meiner Freuden Ziel.

6) Lass keinen Hass in mich,
wenn mich die Feinde kränken,
wenn mich die Strafe soll
hin auf das Gute lenken:
viel minder bloß durch Neid,
bei andrer Glück und Höh'
und gib, dass all' mein Hass
nur auf die Sünde geh.

7) Lass mich, in dir gestärkt,
des Kreuzes Last nicht fliehen.
Wenn man mich lehren will,
mich nicht der Zucht entziehen.
Gib, dass ich flieh die Welt,
Geschwätz und Müßigsein
und dies, was fliegt von dir,
das lass mich fliehn allein.

8) Bezähm in mir die Furcht,
wenn was will böse scheinen,
wenn mir der Tod, der Schmerz,
Gefahr, Verlust des Meinen
und sonst dergleichen droht
und lass mich sorgenfrei,
dass nichts, als deine Furcht,
in meinem Herzen sei.

9) Lass mich durch Traurigkeit
den Kopf nicht niederhängen,
wie andre von Natur
und sonst in Not, sich kränken.
Mein Trauern sei um dies,
dass ich dich je betrübt
und dass nicht bei mir ist
mein Jesus, der mich liebt.

10) Auf die, so mehr als ich,
lass mich nicht zornig werden,
auch auf die Gleichen nicht
verstellen die Gebärden:
auch nicht, wenn Unfall kommt,
und dem, der unter mir,
dem geb mein Zorn allein
mit Glimpf zur Bessrung für.

11) Lass, was zu achten ist,
mich deinethalben achten,
was ich verachten soll,
nicht voller Stolz betrachten.
Lass auch in Demut mich
nicht achten, was ist sei
und mach mich endlich gar
von allen Lastern frei.

12) Wirst du mir nun, o Herr,
so helfen überwinden,
so wird in mir sich nichts
von grober Menschheit finden.
Füll mich durch deinen Sohn
so voller Geistes an,
dass ich im Glauben dir
gleichförmig dienen kann.

Text:
Melodie: O Gott, du frommer Gott