O Gott, ich muss dir klagen    

1) O Gott, ich muss dir klagen,
verklagen selber mich,
von meiner Bosheit sagen,
die kränket mich und dich:
ein Wurm nagt mich im Herzen,
der dürre, blasse Neid,
er plaget mich mit Schmerzen,
versalzt mir alle Freud.

2) Hat einer viel zu zählen,
prangt er mit Witz und Kunst,
beglückt ihn sein Vermählen,
Lust, Ehr' und Menschengunst:
ich kann es gar nicht leiden,
ich denke: seine Ehr,
sein Gut und seine Freuden
gebührten mir vielmehr.

3) Dein sind, o Gott, die Gaben:
es kommt von dir allein,
was der und jener haben.
Und wess' sie sollen sein,
das steht bei deiner Güte,
du schenkest, wem du willst.
Dein Aug' sieht ins Gemüte,
kein Ansehn vor dir gilt.

4) Ein Vater oft auf Erden
ein Kind vor andren liebt,
und ich sollt murrend werden,
wenn Gott auch dies verübt?
Mag doch ein Mensche schenken,
was, wann und wem er will,
und ich sollt' Gott verdenken,
ihm setzen Maß und Ziel?

5) Lass mich am Bruder lieben
die Gaben, sie sind dein,
mich freuen, nicht betrüben,
mit ihm dir dankbar sein.
Was? Sollt ich scheel aussehen,
da du so gütig bist?
Der Geber hört sich schmähen,
wenn mich die Gab' verdrießt.

6) Du wirst, wann mir es nütze
und selig dort und hier,
mehr Ehre, Glück und Witze,
mehr Gaben schenken mir.
Mit Murren und mit Neiden
poch ich dir nichtes ab:
ich mach mir selbst nur Leiden
und doch nichts Mehrers hab.

7) Seh ich die Bösen grünen:
ihr Himmelreich ist hier.
Die Hölle schnappt nach ihnen,
sie büßen dort dafür.
Ich mag auf Erden haben
mein' Höll' und leiden Leid:
der Himmel wird mich laben
mit süßer Ewigkeit.

Text:
Melodie: Herzlich tut mich verlangen