Nun, lieber Gott, du bleibst ja lange    

1) Nun, lieber Gott, du bleibst ja lange,
ich weiß nicht, was ich denken soll.
Der Zweifel macht der Hoffnung bange,
ich weine Bett und Bibel voll.
Ach, soll denn ich, nur ich allein
ein Gräuel meines Schöpfers sein?

2) Ich mag mich schicken, drehn und winden,
es ist mit allem nichts getan.
Ein Sperling schläft in hohlen Linden
und findet, wo er füttern kann.
Mich jagt die Missgunst hin und her
und macht mir noch die Armut schwer.

3) Ich habe Freund und hab auch keinen,
o wär ich doch ein Rabenkind!
Der Kummer wühlt in Mark und Beinen,
die schon von Krankheit mürbe sind.
Ja, wem ich ehmahls Gute erzeigt,
der sieht und hört mein Weh und schweigt.

4) Was helfen mir nun alle Gaben,
verstand und Kunst und Ehrlichkeit?
O hätt ich nur mein Pfund vergraben!
Es wäre doch wohl eine Zeit,
indem man aller Orten sieht,
wie hoch der Toren Glücke blüht.

5) Die Strafe bessert sonst die Sünder,
dies ist mehr Grausamkeit als Zucht.
Versuch einmal und geh gelinder,
vielleicht gewinnt es eher Frucht.
Ein scharfer Streich und langer Grimm
macht oft die besten Herzen schlimm.

6) Gefall ich mir in Boßheitslastern
und bin ich eines Menschen Feind,
so soll mein Haupt die Hölle pflastern,
auch eh dein großer Tag erscheint.
Du kennst mein Herz, das ohne List,
obgleich nicht ohne Schwachheit ist.

7) Ich räche mich am ärgsten Spötter
mit Langmut, Wohltun und Geduld.
Mein Glaube steht im härtsten Wetter
und denkt: Es ist verdiente Schuld.
Ach, aber bei so vieler Schmach
lässt endlich auch die Hoffnung nach.

8) Geburt, Exempel, Not und Jugend.
Sind Ursach, dass ich fehlen muss.
Wer geht wohl stets den Weg der Tugend?
Ich strauchle selber mit Verdruss
und bin nach schneller Reu und Leid
der erste, der mich straft und zeiht.

9) Was willst du mit dem Schatten zanken?
Beweis an Stärkern deine Macht!
Wer wird dir in der Hölle danken?
Ach, hast du dies noch nicht bedacht?
Du kommst mit Donner, Blitz und Sturm.
Wer ist der große Feind? Ein Wurm.

Text:
Melodie: Unbekannt