Mondesschein, du meines Kummers einziger    

1) Mondesschein, du meines Kummers
einziger, vertrauter Freund,
wenn die sanfte Hand des Schlummers
meinem Auge nicht erscheint,
oft hab ich zu deinen Höhen
schwermutsvoll hinangesehen
und ein milder Strahl voll Lust
kam herab in meine Brust.

2) Feierliche Totenstille
Herrschet, und die Mitternacht,
oft des Lasterfreundes Hülle,
hat dich neu hervorgebracht.
Sei gegrüßt, ich seh dich wieder!
Aber schwach scheinst du hernieder,
jammert dich vielleicht mein Schmerz?
Weinst du Ruhe für mein Herz?

3) Dank, o Dank, wenn du mir weinest,
bringe diese Träne dir!
Dank auch, wenn du traurig scheinest
Über Brüder neben mir,
die sich Mitternachtszeit borgen,
Mammonsanwuchs zu besorgen,
oder blass und hager stehn,
und sich unzufriedner sehn.

4) Oder die bei wildem Schwärmen
sich um Hausgenossen nicht,
nicht um Weib und Kinder härmen
oder - doch verbirg dein Licht,
und verwandle dich in Schrecken,
Sklaven zur Vernunft, zu wecken! -
die sich heilges Dunkel leihn,
ihre Würde zu entweihn.

5) O des schauervollen Strebens,
dessen Menschen fähig sind!
Dass für sie die Lust des Lebens
nicht aus reinen Quellen rinnt.
Dass sie sinnlos Zeit verschwenden,
dass ein kurzer Rausch sie blenden,
und den Jüngling früh zum Mann,
den zum Greis umwandeln kann.

6) Sich mit Weisheit vorbereiten
zu Geschäften jener Welt,
und umringt von Eitelkeiten
dennoch tun, was Gott gefällt.
Wahrheit suchen, Tugend üben,
brüderlich die Menschen lieben,
streben nach dem letzten Ziel:
schafft um uns der Freuden viel.

7) Bald erscheint der Ruf zum Grabe
und der Geist schwingt sich zu Gott.
Wenn ich ihn zum Freunde habe,
wenn nicht Menschenfluch mir droht,
wenn Gewissensvorwurf schweiget,
wider mich das Herz nicht zeuget,
welche Ruhe, welches Heil,
ist auf Erden dann mein Teil!

8) Falle diese morsche Hülle
meines Geistes in den Staub,
gern, gebeut es Gottes Wille,
sei sie der Verwesung Raub.
Mög' ein treuer Freund, voll Liebe,
mit der Wehmut sanftem Triebe,
Blumen auf mein Grabmal streun,
die im Frühling sich erneun!

9) Stille, lang entbehrte Freuden
sind es, die mein Herz nun fühlt.
Fortgewichen sind die Leiden,
die mein Innerstes durchwühlt.
Mondesschein, auch du bist helle,
dank dir für der Freuden Quelle!
Durch dich kam ein Strahl von Lust
mild herab in meine Brust.

Text:
Melodie: Jesu, meines Lebens Leben