1) Mein holder Freund ist mein, er bleibet mir ergeben,
das Siegel seiner Treu ist mir sein teures Blut.
Die ihr der Freunde nach Würden könnt erheben,
seht, wie mein Liebster sich so nahe zu mir tut.
Mein Freund kann Geist und Seele laben,
mein Herz kann alles in ihm haben,
was Freunden mag erfreulich sein.
Mein Freund, mein holder Freund ist mein.
2) Mein Freund vergnüget mich, und will sich zu mir halten,
sein liebesvolles Herz entzündet meine Brust.
Wenn alle Freundschaft will vergehen und erkalten,
so hat mein Seelenfreund an mir doch seine Lust.
Die Freundschaft wird durch nichts gehindert,
nichts ist, was seine Liebe mindert,
wenn Freunde unbeständig sein,
so bleibt mein treuer Freund doch mein.
3) Geht, Menschen, gehet hin und setzet eur' Vertrauen
auf Menschen, die vergehn und selbsten sterblich sind:
ihr müsst doch einsten euch zu spät Betrognen schauen.
Weil aller Menschen Gunst mehr als zu bald verschwindt.
Es kann die Freundschaft unterbrechen
zeit, Argwohn, Neid und Widersprechen:
ich aber kann versichert sein,
mein Freund der ist und bleibet mein.
4) Auch selbst die Vatertreu muss dieser Freundschaft weichen,
es können Brüder nicht so herzlich lieben sich.
Das zarte Mutterherz ist gar nicht zu vergleichen
der heißen Liebesbrunst, damit er liebet mich.
Aus seinem Herzen ist geflossen,
was man von Liebe je genossen.
Drum soll mein steter Wahlspruch sein:
mein Freund, mein liebster Freund ist mein.
5) Es liebt ein Bräutgam zwar aus allen seinen Kräften,
die ihm verlobte Braut, die er getreu erkannt.
Mein Liebster aber ließ sich gar ans Kreuze heften
und darum wird er auch ein Blut-Bräutgam genannt.
Um seine Braut ihm zu erwerben
hat selbst der Bräutgam wollen sterben.
Wie könnte größre Liebe sein?
Mein Freund, mein wahrer Freund ist mein.
6) Mein Freund, der bleibet mein, wenn Freundschaft nun aufhöret
und wenn der blasse Tod die besten Freunde trennt.
Wenn alles, was gelebt, in seinen Ursprung kehret
und alles einst vergeht, was man nur irdisch nennet.
Dann soll und wird es erst erscheinen,
was die Vernunft pflegt zu verneinen,
dann wird die Freundschaft ewig sein:
mein Freund, der ist und bleibet mein.