Mein Gott, hilf, dass ich wohl bedenke    

1) Mein Gott, hilf, dass ich wohl bedenke,
wie schmal der Weg zum Himmel ist,
und oft die Augen dahin lenke,
wo der gottlose Haufe büßt,
dass sich mein Herz aus Unbedacht
nicht auf die breite Straße macht.

2) Gewiss, die Seligkeit zu finden,
das ist nicht eben so gar leicht,
als es die Welt bei ihren Sünden
in ihrer großen Blindheit deucht,
ein jeder meint, er wandelt recht,
obgleich sein Christentum sehr schlecht.

3) Die meisten suchen weite Gänge,
wo Blumen, Klee und Rosen stehn.
Sie woll'n durchaus durch kein Gedränge,
noch über Stock und Steine gehn,
und werden traurig und betrübt,
wenn es viel Wind und Regen gibt.

4) Ach aber, wie so weit gefehlet!
Wer einen solchen sanften Steg,
den Fleisch und Blut beliebt, erwählet,
gerät zuletzt auf einen Weg,
der in die Mördergrube führt,
allwo man Seel' und Leib verliert.

5) Und da dergleichen zarten Christen
es zuvorhin an nichts gefehlt,
so kommen sie in eine Wüsten,
wo sie so Durst als Hunger quält.
Ja, wo die allergrößte Pein
ohn' End' und Linderung wird sein.

6) Hingegen wer sich fein beizeiten
in Kreuz und Unglück schicken lernt,
und ganz getrost pflegt fort zu schreiten,
wenn sich die Sonne gleich entfernt,
und alles um ihn finster ist,
dem wird all' Angst und Not versüßt.

7) Er sieht und hört auf seinem Wege,
auch wenn das Wetter schöne heißt,
zwar wohl viel Blitz und Donnerschläge,
und wie der Sturmwind tobt und reißt.
Jedoch gelangt er mit der Zeit
in's Schloss der frohen Ewigkeit.

8) Nun, Gott, so lass mich nicht erschrecken,
wenn ich bei Kummer und Verdruss
durch Disteln, Sümpf' und Dornenhecken
auf meiner Wallfahrt gehen muss.
genug, dass ich auf dieser Bahn
gewiss den Himmel finden kann.

deucht = erscheint

Text:
Melodie: Wer nur den lieben Gott lässt walten