Mein Freund ist mein, es klingt dies süße Wort    

1) Mein Freund ist mein, es klingt dies süße Wort,
in meiner tiefsten Seele fort -
ob ich, von sel'ger Wonne trunken,
auf seinen Ruf ihm an das Herz gesunken,
ob er das stille Träumen endet
und mich zur Arbeit in den Weinberg sendet:
ich bin bereit, bin sein! Ich folge gern,
als Braut dem Freund, als Magd dem Herrn.

2) Mein Hirte weidet eine große Schar -
und jeder Seele nimmt er wahr!
Ist jeder nahe, hat für jede
den milden Blick, die sanfte Hirtenrede.
Sein Brünnlein lässt er nie versiegen,
kein schwaches Lamm lässt er verschmachtet liegen,
er trägt es heim. Sein treues Auge wacht
so früh als spät, in Tag wie Nacht.

3) O weide, Herr, o weide immerdar
die teure, miterlöste Schar! -
ich habe deinen Ruf vernommen,
an deiner Liebe ist mein Herz erglommen.
Ich mag nicht länger träge weilen,
gib du mir Kraft, dass ich zur Tat kann eilen,
mir glüht das Herz - ich hasse jetzt die Ruh'
und eile deinem Weinberg zu.

4) Eins nur gewähre mir dein treuer Sinn:
du weißt es wohl, wie schwach ich bin -
ich will ja gern in schwülen Tagen
in deinem Dienst des Tages Hitze tragen.
Doch wie sich auf die heißen Matten
der Abend senkt mit seinem kühlen Schatten:
o, so erschein auch meiner Seele mild
zur rechten Zeit dein liebes Bild.

5) Ja, dass die matte Seele, neu erquickt,
zu deinem Dienst sich freud'ger schickt,
so nahe, wenn der Tag entschwunden,
so gib mir wieder sel'ge Weihestunden.
So lass mich, wenn die Kräfte sinken,
du Gnadenborn, vom Lebenswasser trinken:
es möchte sonst erlöschen mit der Nacht
das Feuer, das du angefacht.

6) Hält doch ein Hirte nach des Tages Last
in stiller Hütte seine Rast! -
Herr, wie du willst, auf deinen Weiden
will gern ich für dich leben, lieben, leiden.
Doch sinkt der Abend still hernieder,
so kehre wieder, o, so kehre wieder!
O wende, wende dann zum Liebesgruß
nach meiner Hütte deinen Fuß! -

Text:
Melodie: Unbekannt
Bibelstelle: Hohelied 2,16