Lamm, das von keiner Schuld nichts weiß    

1) Lamm, das von keiner Schuld nichts weiß,
du eilst, der Sünder wegen
von Schweiß und Durst und Tränen, heiß
dem bittern Tod entgegen.
O Bild der göttlichen Geduld!
Wie übersteiget deine Huld
der sterblichen Gedanken.
Ich nahe deinem Kreuze mich,
hier Menschen Sohn, bewund're ich dich
und will dir ewig danken.

2) Geübt durch deine Lebenszeit
entfloh kein Tag vergebens.
Dein Wirken war mir Zärtlichkeit,
war jedem, Quell des Lebens.
Wie segnend floh dein Lebenslauf!
Du wecktest die Entschlafnen auf.
Der Taube hörte wieder.
Der Kranke ward durch dich gesund.
Durch dich, sang der verschlossne Mund
eröffnet, Freudenlieder.

3) Als Jüngling wardst du schon versucht,
doch keine Lust empörte
dein reines Herz, die frühe Frucht
der Tugend, die es lehrte.
Auf wuchst du, deinem Kreuz heran.
Du gingest selbst die enge Bahn,
wo oft der Fromme scheitert.
Standst an dem Abgrund, wo ich steh
und stiegst, wie auf die Schädelhöh'
nach jedem Kampf erheitert.

4) Wie würd' ich zweifeln, ob der Pfad
der Tugend sicher wäre.
Dein Fuß, der ihn einst selbst betrat,
ist Siegel deiner Lehre.
So sehr der schmale Weg mich schreckt,
so tiefe Nacht ihn auch bedeckt,
Abgründe um ihn rauschen,
so will ich, Lebensführer, du,
gern meinen Frieden, meine Ruh'
um kleine Leiden tauschen.

5) Mich schmäht der Feind und ich ertrugs,
ich kann im Schmerz mich fassen.
Doch, einen Trieb, der mit mir wuchs,
werd' ich den leicht auch lassen?
Der Reiz, den ich so oft geschmeckt,
der Kranz, der einst den Sieger deckt,
ach, beide, beide kämpfen.
Die Lust freut bald, die Krone spät,
und ich, bin Mensch. - O, dein Gebet,
hilf, Herr, auch jene dämpfen.

6) O, du, der einst auch im Gericht
gezittert, nah' am Grabe.
Erbarme dich und richte nicht,
wenn ich gesündigt habe!
Erbarme dich und richte nicht,
Lamm Gottes, geh nicht in's Gericht!
Ruf aus: ach, Gnade, Gnade!
Geblutet hast du Herr, auch mir.
Versöhnt geh ich nunmehr mit dir
gern, neuer Tugend Pfade.

Text:
Melodie: Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld