1) Jesu, Freund betrübter Seelen,
offenbare mir dein Herz.
Soll ich mich noch länger quälen?
Täglich mehret sich mein Schmerz.
Dein Entfernen kränket mich,
Herr, du weißt: Ich liebe dich.
Lass die matte Seele leben,
blicke sie in Gnaden an,
nichts kann mir sonst Labung geben,
nichts ist, das mich trösten kann.
2) Holde Liebe, ach, wie lange
hörest du mein Seufzen nicht?
Weil du schweigest, ist mir bange,
dass mein Kampf umsonst geschicht.
Kannst du mich verderben sehn?
Soll ich hilflos von dir gehn?
Gott, du Abgrund aller Güte,
dessen Huld mein Herz gerührt,
als mein irrendes Gemüte
deinen Gnadenzug verspürt.
3) Hegest du dieselben Triebe?
Wallet noch dein Mutterherz
in Erbarmung, zarter Liebe
gegen deines Kindes Schmerz,
das aus Schwachheit von dir irrt
und sich in selbst verwirrt?
Ach, so rette meine Seele!
Wirf nur einen Gnadenblick
auf die kummervolle Höhle
der bedrängten Brust zurück.
4) Denn ich irr in dunklen Schatten,
ohne Trost und Zuversicht.
Endlich muss der Geist ermatten,
da mir Licht und Kraft gebricht.
schone noch, o höchste Huld!
Mit Erbarmen und Geduld,
stille das verborgne Sehnen,
das die Seele vor dich bringt,
wenn sie unter Kampf und Tränen
sich mit Macht zum Glauben dringt.
5) Ach, wann wird die Hoffnung siegen,
die sich nach Gewissheit sehnt?
Wenn ein himmlisches Vergnügen
mein Verlangen ewig krönt.
Ja, die Wahrheit trüget nicht,
die dem Sünder Heil verspricht.
Endlich bricht die Gnadensonne
durch die dunkle Nacht hervor.
Und ich hebe auch mit Wonne
mein gebeugtes Haupt empor.
6) Sollt ich auch im Kampf erblassen,
krönt der Tod den letzten Streit.
Will ich den Erlöser fassen,
dessen Blut um Gnade schreit.
Liebe, die ich oft betrübt,
die mich dennoch zärtlich liebt,
ach, nimm die gejagte Seele:
schließ sie, Fels des Lebens, ein
und lass deiner Seiten Höhle
meine sichre Freistatt sein.