1) In stiller, banger Mitternacht,
wenn längst der Tag dahingeschieden,
ach, Vater, manches Auge wacht,
und manches Herz hat keinen Frieden.
2) Ja, manches Bild der Erdennot
bescheint das bleiche Licht der Sterne.
Neu weckt sie jedes Morgenrot,
die Sonne ach, bleibt ewig ferne.
3) Weh, wen der Sorge Netz umspinnt,
wem Mut und Hoffnung sterbend sanken,
heiß wogend durch die Adern rinnt
die Fieberqual der Nachtgedanken!
4) Weh, wen des Zweifels Sturm bedrängt!
Noch finstrer als die Nacht von außen,
ist jene, die sein Herz umfängt,
wo wirre Geister feindlich hausen.
5) Weh, wem voll Hass der Busen schwillt!
Sein Lager starrt von Dornenspitzen:
er sieht durch wüstes Traumgebild'
den Glutstrahl wilder Rache blitzen.
6) Weh, wem der Reue starre Schrift
in den erloschnen Blick gegraben!
Der Kelch des Schlummers schäumt voll Gift,
kann den Verschmachtenden nicht laben.
7) Und wo des Unglücks Schneide traf,
und wo des Kummers Bäche fließen,
vergeblich willst du, sanfter Schlaf,
die tränenmüden Augen schließen.
8) Vergeblich sucht der Ruhe Port,
wem aus der Brust die Ruh' geschwunden.
Sie brechen auf, sie bluten fort,
die frischen, kaum vernarbten Wunden.
9) Ach Herr, so manches Flehen dringt
empor zu deiner lichten Höhe!
Ach Herr, so mancher Arme ringt
stumm mit des Todes bitterm Wehe!
10) Erbarm dich, Vater, ihrer Pein!
Und wer da hilflos und verlassen,
den wollest du - die Macht ist dein! -
mit starker Hand errettend fassen.
11) Sie rette, wenn der Sorge Meer
umrauscht mit seinen wilden Stürmen,
dahin, wo sich zur festen Wehr
des Glaubens heil'ge Felsen türmen.
12) Sie rette, wen der Zweifel Streut
erfüllt mit seinen heißen Gluten,
empor ins Reich der Herrlichkeit,
wo Ströme der Erkenntnis fluten.
13) Sie rette, wen der Hass umkreist
mit allen Tücken finstern Hohnes:
in Flammenzügen vor den Geist
schreib sie das Wort des Menschensohnes.
14) Sie rette, wen enthüllte Schuld
durchbohrt mit gift'gen Rachepfeilen,
ins Heiligtum der Gotteshuld,
wo auch die schwersten Wunden heilen.
15) Ja, Herr, zum Tage wird die Nacht
durch dich, Allmächtiger und Gelinder,
und wo dein Auge liebend wacht,
da schlummern friedlich deine Kinder.
16) An deinem Herzen sanft und süß
gebettet sind, die dir vertrauen.
Die Hoffnung pflanzt ein Paradies
auch in der Nächte ödes Grauen.
17) Du lässest, wenn Verzagen droht,
dem Erdenmüden und Gebeugten
in jede Nacht, in jede Not
die ew'gen Sterne Herrlich leuchten.