1) In meines Freundes Garten, im stillen Kämmerlein,
gelabt aus seinem Becher, schlief ich allmählich ein.
Da hört' ich eine Stimme und hob das Angesicht,
ich rief nach meinem Freunde, ich sucht' und fand ihn nicht.
2) O, wie die Seele bangte, wie fuhr ich aus dem Schlaf,
als, den das Herz verlangte, das Auge nicht mehr traf.
Wie sprang ich auf vom Lager – Ich will, rief ich erschreckt,
durch alle Gassen spähen, bis ihn mein Aug' entdeckt.
3) Ich will so lange rufen, nicht eher schweig' ich still,
bis ich – 'Du arme Seele, was sprichst du doch, ich will!
Als ob der eigne Wille, der eigne blöde Blick,
ihn je erreichen könnte, ihn jemals rief zurück!
4) Als wär's nicht freie Gnade, wenn er der Braut, sich zeigt,
wenn ihr der Himmelskönig das Zepter liebend neigt!
ich eilte durch die Gassen, ich suchte tiefbetrübt.
Doch hab' ich nicht gefunden, den meine Seele liebt.
5) Es wuchsen meine Sorgen, ich spähte allerwärts,
der Blick ward immer trüber und bänger stets das Herz.
Es fanden mich die Hüter und fragend blieb ich stehn:
habt ihr den Freund nicht funden? habt ihr ihn nicht gesehn?
6) Ach meine Seele suchte bei Menschen Trost und Rat!
Als wüssten jene Hüter um ihres Freundes Pfad.
Als könnt' ein Mensch uns künden, und stünd' er noch so hoch,
wie wir ihn wiederfinden, wenn er sich uns entzog.
7) Er hat wohl seine Wächter, die auf den Zinnen stehn,
er lässt wohl treue Hüter durch alle Straßen gehn.
Sie haben Rat und Lehre und stillen manchen Harm:
doch hielt in meinem Kummer ich Fleisch für meinen Arm.
8) Ich wandte meine Schritte, die Brust voll tiefen Gram.
Doch wie ich nun von ihnen ein wenig über kam,
wie völlig ich verzagte an aller eignen Kraft,
wie trostlos ich erkannte, was Menschenhilfe schafft –
9) Wie ich von eignem Wollen zu ihm nicht länger sprach,
und wie an seiner Schwachheit mein Herz zusammenbrach:
da hab' ich ihn gefunden, da trat er an mein Herz,
da hat er mich entbunden von allem Gram und Schmerz.
10) Da hab' ich ihn gefunden, da hat er mir gezeigt.
Warum er mir entschwunden, warum er mich gebeugt.
Nicht bloß zu süßem Kosen schloss er mit mir den Bund,
nicht, krank zu sein vor Liebe, ward ich durch ihn gesund.
11) Nicht, weil er Fried' und Freude in reicher Fülle gibt,
will er, dass meine Seele den Freudengeber liebt,
nein, weil ich in mir selber so elend und gering,
dass, wo er je mich ließe, ich ganz verloren ging.
12) Drum nicht in träger Ruhe soll ich mich seiner freun,
ich soll in seinem Dienste nicht Kampf und Mühe scheun.
Ich soll mich ihm ergeben, ohn' Aussicht auf Gewinn,
genug dass ich errettet und freigesprochen bin.
13) Wohl führt er in die Stille, wenn er die Braut erwählt,
doch nur, dass er die Seele mit Kraft zum Kampfe stählt,
zum Kampfe mit dem Feinde, bei Herz und Reich bedroht,
von innen und von außen, zum Kampf bis an den Tod.
14) Er nahm auch mich besonders ins stille Kämmerlein,
hat mir das Herz erquicket mit süßem Freudenwein.
Nun sendet er auf's Neue hinaus mich in die Welt,
dass ich von ihm soll zeugen, so lang' es ihm gefällt.
15) Das ließ er mich erkennen, das hat er mir gezeigt.
Ich gebe mich mit Freuden, sein Joch ist sanft und leicht.
Und ob's auch schwere Stunden in seinem Dienste gibt!
Ich habe doch gefunden, den meine Seele liebt!