Ich weiß, Gott wird uns nicht verlassen    

1) Ich weiß, Gott wird uns nicht verlassen,
vertrau ihm nur, besorgter Geist,
und lerne dich geduldig fassen,
so scharf auch das Verhängnis schmeißt.
Bekenn, Gott rettet auch die Sünder
und hebet die gefallnen Kinder
aus mütterlicher Regung auf.
Ach wink ihm nur mit Herz und Armen
und locke sein getreu Erbarmen,
er kommt dir selber in den Lauf.

2) Du hast die Strafe längst verschuldet
und bist der Langmut nicht mehr wert,
die unsre Missetaten duldet
und zur Bekehrung Zeit gewährt.
Wie oft hat nicht dein leicht Gemüte
das Ohr der allerhöchsten Güte
getäuscht, betrogen und geplagt
und, wenn die Sünden Not gebaren,
aus blöder Furcht von Jahr zu Jahren
die Bessrung fälschlich zugesagt.

3) Tu einmal, was du stets beschlossen,
und zwing Gewohnheit, Fleisch und Blut.
Die Bosheit scherzt nicht ungenossen,
es kommt ein Tag voll Zorn und Glut.
Der Tod hat tausend Pfeil und Stricke,
an einem einzeln Augenblicke
hängt unser ewig Wohl und Weh.
Es ist noch Zeit, ach lauf und eile
und greif nach angebotnem Heile,
eh dessen Gnade weitergeh.

4) Wie können doch die eitlen Sachen,
die wilde Lust, die Pracht der Welt,
dich gar so blind und hitzig machen,
da doch ihr Schein wie Glas zerfällt!
Der Ekel kommt von geilen Küssen,
die Ehrsucht füllt ihr weit Gewissen
mit später Reu, die Hand mit Wind.
Das Schrecken wacht bei großen Schätzen,
die wir mit Schweiß so lange netzen,
bis Feind und Dieb die Frucht gewinnt.

5) Man lacht der Kinder in Gedanken,
die leichte Kartenhäuser baun,
um Nadeln, Schilf und Steinchen zanken
und allem, was nur schmeichelt, traun.
Doch sind wir Alten wohl viel klüger?
Wir sehn die listigsten Betrüger
zum öftern vor Propheten an.
In Moden sind wir wie die Affen
und machen uns so viel zu schaffen,
und endlich ist doch nichts getan.

6) Was hilft das aufgeblasne Wissen,
womit der Schulen Hochmut prahlt,
der, wenn er Bauch und Kopf zerrissen,
sein Volk mit Staub und Schimpf bezahlt?
Wir wollen täglich mehr erfinden,
den Abgrund der Natur ergründen
und ihr zu Trotze Wunder tun.
Und wenn wir alles ausgemessen,
ist doch der Platz zuletzt vergessen,
nach aller Arbeit auszuruhn.

7) Gott Lob, mein Geist, wir sind entgangen
und sehn ein höher Weisheitslicht.
Der Himmel stärke dies Verlangen
und hemme, was den Vorsatz bricht,
wir sehn das Paradies auf Erden,
man kann von nun an selig werden.
Und wie? Durch wahre Seelenruh.
Wo lässt sich dieses Kleinod finden?
Verlass nur gleich die Bahn der Sünden
und eile nach der Tugend zu.

8) Die Tugend ist ein Kind vom Glauben,
mit der sich die Erkenntnis paart,
sie lässt uns nicht die Hoffnung rauben,
die unser höchstes Gut bewahrt,
das heißt, wenn unsre Gegenliebe
mit rein- und unverfälschtem Triebe
des Schöpfers Güt erkennt und ehrt
und wenn man bloß aus Lust, den Willen
der höchsten Weisheit zu erfüllen,
der Menschen Wohl nach Kräften mehrt.

9) Mein Heiland, hilf das Werk vollbringen,
wonach mein Sehnsuchtszunder glimmt,
und lass mir keinen Wunsch gelingen,
als der mit deinem Worte stimmt.
Dein Joch ist eine süße Bürde
und gibt allein die Freiheitswürde
dem, den dein Kreuzzug edel macht.
Ich komme mit erfreutem Rücken,
mich unter deiner Last zu bücken,
so höhnisch es die Welt verlacht.

10) Die Demut und dein ganzes Leben
soll meines Wandels Richtschnur sein.
Tritt ja die Schwachheit oft daneben,
wirst du mir neue Kraft verleihn.
Verdammt mich derer Fluch und Lehren,
die mehr in deiner Kirchen stören
als durch ihr Schulgeschwätze baun,
so lässt dein Vorspruch und Erbarmen,
du Heil der Welt und Schutz der Armen,
mich doch ein holdes Antlitz schaun.

11) Mein Unrecht hat wie jene Brüder
auch dir, mein Joseph, Leid getan.
Nun fall ich auch wie sie darnieder
und klage mich errötet an.
Du könntest alles mächtig rächen,
allein du strafest mein Verbrechen
durch Mitleid über meine Not.
Du weinest nebst dem Liebeskusse
vor Freuden über meiner Buße.
Wie glücklich war anjezt mein Tod!

12) Ihr wilden Jahre, flieht zurücke
und nehmt die Jugendsünden mit,
auf dass sie nicht der Tag erblicke,
wenn alle Welt zusammentritt.
Gott selbst wird euer Angedenken
von nun an in das Meer versenken,
er macht mich durch sein Kind gerecht.
Was willst du mehr, besorgtes Herze?
Nun fasse dich in allem Schmerze
und leb auf Hoffnung arm und schlecht.

Text:
Melodie: Unbekannt