1) Ich sinke hier in stiller Ruh
sanft und ermüdet nieder.
Ich schließe meine Augen zu
und lass die matten Glieder,
ohn' Zwang und Drang, die Süßigkeit
des Schlafes und den Geist die Freud
des Schlummerens genießen.
2) Ich wollte gern, wärs mögelich,
des Schlafes Anmut fühlen,
ich wollte, eh ich völlig mich
verloren, on dem Wühlen,
mein selbst vergessen und dabei
dennoch bemerken, was es sei,
im Schlaf den Schlaf empfinden.
3) Dann wieg ich mich zum Schlafen ein,
und bin mir bald verschwunden,
dann will ich wieder bei mir sein,
und hab mich kaum gefunden:
so störet diese Munterkeit
die schlummerende Schmeichelfreud'.
Bis endlich meine Seele
4) Vom Schlafen auf das Sterben fiel:
da kamen ihr die Schranken
des kurzen Lebens und das Ziel
des Todes in Gedanken.
Wie lieblich, sagte sie, wirds sein
zum Tode selig schlafen ein
und ungefühlig sinken
5) In seinen Schoß: Wenn Qual und Not,
wenn Trübsal, Angst und Sünden,
wenn Unruh und der Tod im Tod
gemählich werden schwinden,
wenn alles in dem Sterben wird
ersterben, was zur Unruh führt.
Wer anfängt, recht zu schlafen
6) Weiß gar von seinem Schlafen nicht.
Wer anfängt, recht zu sterben,
fühlt, da Gehirn und Herz zerbricht,
auch nichts von dem Verderben.
Was immer stirbt und sich verliert,
das wird hernach nicht mehr verspürt
und dem Gefühl entrissen.
7) Mein Gott, wie wird die Seele sich
bestürzt, erstarret sehen,
wenn sie im Tode lebendig
wird an dem Orte stehen,
wo Erd' und Himmel, Freud' und Leid,
wo diese Zeit und Ewigkeit
gleich aneinander grenzen.
8) Wie selig wird das Sterben sein,
wenn man das Leben findet,
da dieser Welt elender Schein
im ewgen Licht verschwindet.
Da stirbt man nicht, man hört nur auf,
zu sterben und beschließt den Lauf
im Sieg, in Ruh', im Frieden.
9) Da schmeckt man keine Tod, vielmehr
man wird in Freud' entzücket.
Und wird die Seele noch so sehr
bald sonst, bald so verrücket:
doch muss die Wollust doppelt sein,
sie büßet hier das Sterben ein
und kommt zum rechten Leben.