Ich bin gewiss, dass Gott, der Höchste lebt    

1) Ich bin gewiss, dass Gott, der Höchste, lebt,
durch den die Welt in weiser Ordnung schwebt,
und der auch mich so künstlich hat gewebt
in meiner Mutter.

2) Des freuet sich mein Herz, und schenkt die Glieder,
die ihm der Herr geschenkt, dem Herren wieder,
und singet ihm die allerschönsten Lieder
vergnügt und still.

3) Wie wunderbar hast du mich doch geleit't
von Kindheit an durch die vergangne Zeit!
Bisweilen zwar vergaß ich es. Doch heut
schärf ich die Sinne,

4) Und seh, wie klug des Herren Arm regieret,
und seh, wie gut er mich bisher geführet,
so dass mein Fuß kein Unglück je berühret
bis diesen Tag.

5) Mit Wollust hast du mir das Herz getränkt,
den Becher voll hast du mir eingeschenkt,
so dass noch jetzt mein Geist, der des gedenkt,
vor Freude taumelt.

6) Kein Gutes je hast du mir lassen fehlen,
das will ich, Herr, den Leuten nicht verhehlen,
und froh will ich das deinem Feind erzählen:
so schämt er sich.

7) Das ist gewiss, dass du mich, Herr, gemacht,
und dass du mich aus Huld hervorgebracht,
obgleich mein Herz es manchmal nicht bedacht,
wenn Unglück tobt.

8) Vergiss mein einst so unbesonnen Klagen,
als dich sogar dein Liebling durfte fragen:
erschufst du mich allein, um mich zu plagen:
vergiss es, Herr!

9) So spricht der Mensch: Ich weiß, dass Gott nicht hasst,
was drückt mich sonst des Unglücks Zentnerlast?
Das macht, weil er des Herren Sinn nicht fasst.
Sonst würd' er schweigen.

10) Ein Kind, zu klein, der Mutter Sinn zu deuten,
und dass die Lieb' es muss in Bändern leiten,
damit sein zarter Fuß nicht möge gleiten,
beweint den Zwang.

11) Bei mir ist nun die Kindheit überhin,
ich seh die Hand, in deren Macht ich bin.
Und Gott ist nun dem kluggewordnen Sinn
unendlich klüger.

12) Mein Vater, könntest du den Sohn wohl hassen?
Sollt' ich denn murrend deinen Arm verlassen?
Und kröch ich gleich gebeugt nun durch die Gassen,
Gott liebt mich doch.

13) So soll denn das mein Wunsch und Vorsatz sein,
zu halten meine Hand von allem rein,
und meinen Gott zu lieben und zu scheun,
vergnügt im Stillen.

14) Er höret ja des Wildes nächtlich Brüllen
in den Einöden an, die sie verhüllen,
und öffnet seine Hand, um sie zu füllen
mit Gnad' und Lust.

15) Mein Gott ist der. Ein Gott, der Herrscht und lebt,
durch den die Welt so gut, so weislich schwebt,
und der auch mich so künstlich hat gewebt
in meiner Mutter.

16) Des freuet sich mein Herz, und schenkt die Glieder,
die ihm der Herr geschenkt, dem Herren wieder,
und singet ihm die allerschönsten Lieder
vergnügt und still.

Text:
Melodie: Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken