Herr, Herr, der du alle Dinge    

1) Herr, Herr, der du alle Dinge
auch die tiefverborgnen weißt:
sieh, ich bin viel zu geringe,
dass dein Mund mich also preist.

2) Willst du mich mit Gnade füllen,
ist's doch meine Schöne nicht.
Drum mit Scham muss ich verhüllen
tief vor dir mein Angesicht.

3) Eines nur entgegn' ich wieder,
eines weiß ich, was ich tu:
bis der Abend sinkt hernieder
zu der großen Sabbatsruh,

4) Bis die letzte Nacht der Erde
endet meine Pilgrimschaft,
bis ich angetan sein werde
mit des neuen Lebens Kraft

5) Will zum Myrrhenberg' ich gehen,
sinke dir zu Füßen da,
auf den blutgetränkten Höhen
des geweihten Golgatha.

6) Will ich gehn zum Weihrauchshügel,
wo dein Volk Lobopfer bringt.
Beten will ich! gib mir Flügel,
dass es durch die Wolken dringt.

7) Auf dem Myrrhenberge schmücke
jeden Morgen mich das Kleid
und die schönen goldnen Stücke
deiner Vollgerechtigkeit.

8) Von dem Weihrauchshügel steige
des Gebetes Opferduft,
wenn ich Herz und Knieen beuge,
durch die stille Abendluft.

9) Auf dem Myrrhenberg' erneue,
schau' an deinem Kreuz ich dich,
meine Buße, meine Reue,
immer, immer wieder sich.

10) Auf dem Weihrauchshügel quille
Balsam wider solchen Schmerz,
in der dir geweihten Stille
immer wieder in das Herz.

11) Von dem Myrrhenberge hole,
bis die Andacht heiß erglüht,
zum Gebete ich die Kohle,
dass das Opfer recht geschieht.

12) Und der Weihrauchshügel gebe
wiederum mir Freudigkeit,
weil ich noch im Fleische lebe,
anzerschaun dein bittres Leid.

13) Dahin, dahin will ich gehen!
Und es finde jeder Tag
deine Braut auf diesen Höhen,
dass sie dir gefallen mag.

14) Bis die Erdenschatten fliehen,
Himmelslüfte mich umwehn:
will zum Myrrhenberg ich ziehen
und zum Weihrauchshügel gehen.

Text:
Melodie: Unbekannt
Bibelstelle: Hohelied 4,6