Ernste, stille Zeit der Feier    

1) Ernste, stille Zeit der Feier,
sei gegrüßt, o Mitternacht!
Du umhüllst mit deinem Schleier
dieser Erde Glanz und Pracht.
Sendest mitleidsvoll dem Müden
stunden süßen Schlafs herab,
und gewährst dem Herzen Frieden,
dem der Tag nur Kummer gab.

2) Mit dir steigt die Weisheit nieder,
die nur Ernst und Stille liebt,
und aus ihrer Fülle wieder
mir auch hohe Lehren gibt.
Dieses Standes Eitelkeiten
sind für mich an Reizen leer,
sorgen, die den Geist entweihten,
ruhn und stürmen jetzt nicht mehr.

3) Hügel, Todeshügel winken,
dass ich, hoher Hoffnung voll,
näher gehn und hinzusinken
ohne Zittern lernen soll.
Rufen, wie mit lautem Schalle:
'Sterblicher, Vergänglichkeit
ist das sichre Los für alle,
alles ist ein Raub der Zeit!'

4) Hier ruhn Jünglinge und Greise,
hier im mütterlichen Schoß
hat zuletzt der Tor und Weise,
Sklav' und Wüt'rich gleiches Los.
Reichtum, Glanz und Kronen schwinden
mit der Ehre Träumerein,
wenn wir hier uns wiederfinden,
brüderlicher Staub zu sein.

5) So ist alles, was da lebet,
eure Beute, Tod und Grab!
Was sich blühend heut' erhebet,
fällt verwelkt schon morgen ab.
Und ich sollte furchtsam beben,
dass ich leb' und sterblich bin?
Weiß ich nicht: zum höhern Leben
eilt der freie Geist dann hin?

6) Lernen will ich, froh zu sterben,
wie der Fromme sterben kann,
der sich hier zum Himmels-Erben
schon das Bürgerrecht gewann.
Jeder meiner Augenblicke
sei des Lebens Pflicht geweiht.
Dann führt mich der Tod zum Glücke
einer frohen Ewigkeit.

Text:
Melodie: O Durchbrecher aller Bande