Ein Kind, ein wunderbares Kind    

1) Ein Kind, ein wunderbares Kind,
das Kind von Nazareth,
hebt seine Füßlein auf geschwind,
gen Salem fröhlich geht:
in Davids Stadt ist Osterfest
und wer dem Herrn die Ehre lässt,
eilt zu den güldnen Zinnen,
die Feier zu beginnen.

2) Das Kind ist andern Kindern gleich
von Antlitz und Gestalt,
nur dass ein ganzes Himmelreich
es unsichtbar umwallt.
Nur dass es keine Sünde kennt
und dass in seinem Herzen brennt
ein heilig' Gottesfeuer,
für Menschen viel zu teuer.

3) An eines schwaches Weibes Hand,
dem Zimmermann zur Seit',
durchpilgert es das Dornenland
und fragt nicht, ob es weit.
Der Weg in seines Vaters Stadt
macht nicht des Knaben Füße matt.
Jerusalem, der Schönen
gilt all sein Sinn und Sehnen.

4) Die Sonne wirft den letzten Gruß
hinab ins stille Tal,
geleitet frommer Pilger Fuß
hat heut ihr goldner Strahl.
Die Eltern auf der Heimkehr sind,
verschwunden aber ist ihr Kind:
sie sehens nicht und findens nicht,
das Kind, ihr einzig' Freudenlicht.

5) Sie eilen wieder in die Stadt
und suchen hin und her,
und suchen sich die Seele matt,
als ob's ihr Leben wär.
Doch erst nach dreier Tage Lauf
geht ihre Sonne wieder auf,
erst als sie in den Tempel gehn,
ihr Auge darf den Knaben sehn.

6) Da sitzt er, der zwölf jahre zählt,
bei denen, welche grau,
bei denen, welche auserwählt
zu Gottes Reiches Bau.
Er lauschet ihrer Lippen Wort,
tut Frag' und Antwort fort und fort,
so dass es manches Herz erhellt -
ein Kind, es ist das Licht der Welt!

7) Verstand und Weisheit quellen hier,
wie nach zu keiner Zeit
bracht eines Mannes Mund herfür
im Haus der Herrlichkeit.
Ds Wort, es fließt in heilger Ruh,
verwundert hören alle zu,
bis in den Kreis mit leisem Schritt
Maria, Jesu Mutter, tritt.

8) 'Mein Sohn,' entströmt es ihrem Mund,
"Was hat du uns getan!
Von Schmerzen ist das Herz uns wund,
dieweil wir dich nicht sahn."
"Was ist es, dass ihr mich gesucht
und nicht zuerst im Tempel frugt?
Was ist es, dass ihr mich nicht wisst
in dem, das meines Vaters ist?"

9) Das ist zum andern mal ein Wort,
für das sie noch zu klein,
das in des Herzens stillen Ort
sie treulich senken ein. -
er aber ging mit ihnen hin,
als hab' er eines nur im Sinn:
den Eltern untertan zu sein,
er, der der Welt gibt Licht und Schein!

Text:
Melodie: Unbekannt