Durch bloßes Gedächtnis dein, Jesu, genießen    

1) Durch bloßes Gedächtnis dein', Jesu, genießen
kann Sinnen und Herzen wie Honig durchsüßen,
willst aber du selber dich bei uns befinden,
muss alles, geschweige der Honig, verschwinden.

2) Man singet nichts Schöner's in himmlischen Chören,
man kann auch auf Erden nichts Lieblicher's hören.
So ist auch im Denken nichts Süßer's zu loben
als Jesus, die Gabe des Vaters von oben.

3) O Jesu, du Hoffnung, des der sich bekehret,
wie bist du so milde, wenn man dich begehret.
Wie bist du so gütig im Suchen der Blinden,
wie wirst du denn heißen, wenn man dich wird finden?

4) O Jesu, du Süße der inneren Güter,
du Brunnquell' des Lebens, du Licht der Gemüter,
wo du bist muss alle die Freude verbleichen,
man kann es mit keinem Verlangen erreichen.

5) Die Zunge verstummet und kann es nicht sagen,
so kann es auch niemand in Schriften vortragen:
Erfahrung, die lehret, vom Glauben getrieben,
was dieses bedeute, dich, Jesu, zu lieben.

6) Dich such ich im Bette, des Nachts bis an Morgen,
wenn ich mich im Zimmer des Herzens verborgen.
So heimlich als öffentlich unter dem Haufen
sieht man mich vor Liebe dir, Jesu, nachlaufen.

7) Ich geh mit Maria in eifrigem Trabe
und suche dich Jesu des Morgens im Grabe.
Da muss ich im Denken mit Kränken und Winden
und Winseln, dieweil dich kein Auge kann finden.

8) So will ich das Grab denn mit Tränen begießen,
so soll denn mein Ächzen die Höhle durchschießen.
Drauf kommst du, da will ich zu Füßen hinknieen,
die fass ich und bin nicht herunter zu ziehen.

9) Rabuni, du König der himmlischen Wunder,
so kommst du, so siegst du noch immer jetzunder.
O Süße, die mehr als mit Worten kann laben,
wie brennt mein Verlangen, dich immer zu haben.

10) So bleib denn, mein Liebster, vor meinem Gesichte,
erleuchte mich Armen mit himmlischem Lichte.
Treib ferne das Dunkle vom Geist und vom Willen,
mich kleine Welt lieblich mit Lichte zu füllen.

11) Und gehts du, so komm doch auch wieder zur Seelen,
lass leuchten die Wahrheit ohn' alles Verhehlen.
So wird sich das Eitle der Welt von mir trennen,
ich werde vor Liebe beginnen zu brennen.

12) Denn hast du mich, Jesu, nicht erstlich geliebet?
Wie lieblich, wie süß ist's, wenn man sich so übet!
Viel tausend Ergötzung ist bei dir zu spüren,
es kann es ja niemand mit Worten ausführen.

13) Ist denn nicht im Leiden dein Herze zerstoßen?
Hast du nicht dein Blut wie die Ströme vergossen?
Dass ich nun erlöset mich Gott kann vertrauen
und ewig verhoffe, sein Antlitz zu schauen.

14) Kommt, Seelen, kommt alle, lernt Jesum erkennen,
beginnet vor Liebe mit mir zu entbrennen.
Kommt lasst uns ihn suchen mit Eifer auf Erden,
damit wir im Suchen noch inniger werden.

15) Weil er uns geliebet, so lasst uns ihn lieben,
sonst wird ja die Liebe durch Liebe getrieben.
Kommt lasst uns doch seinem Geruche nachlaufen,
und was er gewünschet, das wünschet mit Haufen.

16) O Jesu, du Ursprung der ewigen Gnade!
Du Hoffnung der Freuden im göttlichen Pfade!
Du Brunnquell der Süße voll himmlischer Güte,
Ergötzung für Seele, für Geist und Gemüte!

17) O, lass mich einfinden in geistlicher Stille,
dein herzlich Erbarmen und Liebe die Fülle:
komm wieder zugegen, damit ich mich schicke
noch einmal zu schauen die himmlischen Blicke.

18) Denn kann gleich die Zunge dein Lob nicht ersteigen,
so kann ich indessen doch gleichwohl nicht schweigen.
Die Liebe bewegt mich, stets von dir zu schwätzen,
dieweil du ja bleibest mein einzig' Ergötzen.

19) Dein Lieben, o Jesu, das speiset die Sinnen,
so bald dir die Seele kann Schmack abgewinnen.
Das sättigt ohn' Ekel mit himmlischen Gaben
und macht, mehr Verlangen und Hunger zu haben.

20) Wenn man dich geschmecket, so will man mehr essen,
wer trinket, dem wird nie genug eingemessen,
man kann nichts verlangen, man kann nichts begehren
als Jesum, dass der doch die soll nähren.

21) Wird einer nun trunken mit Lieb' überdecket,
so kann er erst sagen, wie Jesus geschmecket.
O selig, o selig, dem's also gegangen,
der hat mehr als immer sein Herz kann verlangen.

22) O englische Schönheit in's Auge zu dringen,
o lieblicher Klang vor den Ohren zu singen!
O Honig im Munde, o Labsal der Schmerzen!
Dies alles ist Jesus und Retter der Herzen!

23) Viel tausend und tausendmal trag ich Verlangen
und schaue, wann kommt doch mein Jesus gegangen!
Wann kommst du, o Freude, mich einmal zu stillen,
zu sättigen und mit dir selber zu füllen?

24) Es währet so lange, Herr, eh ich dich kriege,
dass ich schier verschmacht' und vor Liebe krank liege.
Doch weiß ich vom Honig der Hoffnung zu sprechen
und Blüte vom Baume des Lebens zu brechen.

25) Du bleibest mir immer der Gipfel der Güte,
die liebsten Gedanken in meinem Gemüte.
Und bleibet viel übrig, dass nicht zu ergreifen,
das kann ich nur bloß mit dem Lieben anstreifen.

26) Doch ist es genug dich, Herr Jesu zu lieben,
nichts weiter zu suchen, dies einzig zu üben.
Da will ich mich meiner ganz selber begeben,
damit ich, mein Heiland, dir einzig kann leben.

27) O süßester Jesu, ich lieg in der Höhle,
ich wart', o du Hoffnung der seufzenden Seele.
Ich suche dich emsig mit kläglichen Tränen,
ich schrei in dem Herzen mit ängstlichem Sehnen.

28) Ich sei, wo ich wolle in Orten und Landen,
so seufz' ich: Ach, wär doch mein Jesus vorhanden!
Wie werd' ich mich freuen, wenn ich ihn kann finden!
Wie selig, wenn ich mich mit ihm kann verbinden!

29) Da werd' ich ihn halsen, da werd' ich ihn küssen,
weit süßer, als könnt' ich viel Honigs genießen.
O selig, wenn ich nun den Herren so fange,
doch aber, ach leider, es dauert nicht lange!

30) Kaum heißt es: ich suchte, nun hab ich gefunden,
nun hab ich mich mit dem Verlangten verbunden.
So muss ich schon wieder abwesend verschmachten
und brennend im Lieben auf's Neu' nach ihm trachten.

31) So bleibet die Liebe fein immer in Flammen,
so schläget die Lohe beständig zusammen,
sie lässt sich nicht löschen, man kann sie nicht kämpfen,
sie wächset und weiß mit Versuchung zu dämpfen

32) Sie brennet beständig in einerlei Zunder,
man weiß nicht wie süße, wie lieblich vor Wunder!
Sie schmecket so innig, so tief von Ergötzen,
dass einer schon also für selig zu schätzen.

33) Sie ist wie ein Feuer vom Himmel entbrochen
und hat mir das Mark und die Adern durchkrochen,
es lodert die Seele mit Prasseln und Krachen.
Da weiß denn mein Geist sich fein lustig zu machen.

34) O, selige Brunst, o entzückendes Feuer!
Wie kühlend, wie lieblich, wie köstlich, wie teuer!
Wo bin ich? Was sag ich? Wie werd' ich getrieben?
Ich sage: wie süß ist sei, Jesum zu lieben.

35) O Jesu, du Blume jungfräulicher Tugend,
du Süßigkeit über die Liebe der Jugend.
Ich kann schier nicht weiter, ich muss dir, mein Leben
Lob, Ehre, Reich, Herrschaft und Herrlichkeit geben.

36) Komm, trefflicher König, komm heiligs Gesetze,
du Vater unendlicher himmlischer Schätze,
schein endlich im Herzen noch heiter verkläret,
wie ich dich bishero so oftmals begehret.

37) Du bist ja viel heller als Himmel und Sonne,
kein Balsam durchdringt mit so lieblicher Wonne,
nichts Süßes kann also die Zungen erquicken,
nichts Liebes kann also die Herzen bestricken.

38) Dein Schmuck ist so lieblich als etwas zu nennen,
dein Riechen so trefflich als je was zu kennen,
das ganze Gemüte fängt an zu vergehen,
die Liebe bleibt einzig im Herzen da stehen.

39) Du höchste Vergnügung, Ergötzung der Sinnen,
der Liebe vollkommenes End' und Beginnen,
mein Rühmen, mein Preisen, mein Laufen, mein Rennen,
du Heiland der Welt, was ist weiser zu nennen?

40) Mein Liebster, komm wieder, so werd ich ergötzet,
der du dich zur Rechten des Vaters gesetzet.
Ist denn nicht geleget des Feindes Getümmel?
Komm, öffne doch einsten die Reiche der Himmel.

41) Du seist, wo du wollest, so folg ich im Glauben,
es soll dich nicht Himmel, noch Erde mir rauben,
du Ehre der Menschen und Krone der Frommen,
ich folge, du hast mir mein Herze genommen.

42) Ihr Bürger des Himmels, komm alle gezogen,
macht höher die Tore, reißt nieder die Bogen,
Triumph, unser Herr hat das Reich eingenommen:
o Jesu, du König, willkommen, willkommen!

43) O König der Kräfte, o König der Ehren,
nun werd' sich dein Siegen und Herrschen vermehren,
nun bleiben die Sünden zurück und vergeben,
nun öffnet das Vaterland selbsten sein Leben.

44) Du Brunn' voll Erbarmen, du Quelle der Deinen,
du Licht, das im Lande des Lebens wird scheinen,
nun wirst du die Wolken des Trauerns vertreiben
und uns mit den Bürgern des Lichtes einschreiben.

45) Wie werden die Chöre des Himmels dich preisen!
Was wird man dir Dankens und Rühmens erweisen!
Denn Jesus erfreut nun die Erben hienieden
und macht mit dem Vater den ewigen Frieden.

46) Nun Herrsche, mein Jesu, mit Frieden und Freuden,
da irdische Sinnen werd' weichen und scheiden.
Drauf steht nun mein Sinn und mein ganzes Begehren,
ich weiß auch mein Heiland, du wirst mir's gewähren.

47) Indessen, weil du noch beim Vater verbleibest
und deine Regierung unsichtbarlich treibest,
so ist auch mein Herz aus mir selber gezogen
und dorten dir nach bis gen Himmel geflogen.

48) Nun kann ich nicht anders als ledig hertreten,
mit Loben, mit Singen und Wünschen und Beten,
du wollst uns aus Gnaden doch alle bequemen
mit dir eine Stell' in der Freude zu nehmen.

Text:
Melodie: Unbekannt