1) Du siehst, mein Schöpfer und mein Herr,
ins Innerste der Seelen,
und niemand kann, Allwissender,
dir, was er denkt, verhehlen.
Lass deine Macht und Hoheit mich
mit heil'ger Scheu erfüllen.
Wenn ich, als Wahrheitszeugen, dich
nach meiner obern Willen,
anruf' und bei dir schwöre.
2) Arglistig können Menschen zwar
auch Menschen hintergehen.
Doch dir ist alles offenbar,
du siehst, was sie nicht sehen.
Im Zorn schaust du die Lügner an.
Verheimlichte Verbrechen,
die Menschenmacht nicht strafen kann,
wird deine Macht einst rächen,
die jeden Frevel strafet.
3) Wie sollt ich denn aus Geiz und Neid,
aus falscher Scham und Rache
verkehren die Gerechtigkeit
und meines Nächsten Sache.
Wie ihm durch Meineid frech den Ruhm
der Redlichkeit entwenden,
und so der Unschuld Eigentum,
die Wahrheit, frevelnd schänden,
und mich in Elend stürzen?
4) Nein, nie so frech, so freventlich
beug ich, Herr, deine Rechte,
dass ich dann ihren Fluch auf mich
durch solch' Verbrechen brächte!
Denn, ach, wie elend würd' ich sein,
wie freudenlos dann leben!
Der Selbstverdammung bittrer Pein
schon hier dahingegeben,
wär' mir die Zukunft Hölle.
5) Drum will ich Lug und Trug, o Gott,
von ganzem Herzen hassen,
und, treu der Wahrheit bis zum Tod,
von Redlichkeit nicht lassen!
Mich soll kein Glück, so groß es sei,
mit seinem Reiz verführen,
durch falschen Eid und Heuchelei
den Himmel zu verlieren,
und mich selbst zu verdammen!