Die Sonne sank in Glanz und Schimmer    

1) Die Sonne sank in Glanz und Schimmer,
und weiche Dämmrung winkt zur Ruh'.
Das Gottesauge leuchtet immer,
ermüdet bist, o Mensch, nur du.
Still waltet fort das innre Leen
der ewig schaffenden Natur,
doch immer wecken, bilden, geben
kann sie, die reiche Mutter, nur.

2) Aus ihrem Schoß hervorgegangen
ist unser rätselvolles Sein.
Zurück in ihren Arm verlangen
die Kinder alle, groß und klein.
Sie pflegt und liebt, was sie entfaltet,
trägt still das Welkende zur Ruh',
und deckt, bis es sich neu gestaltet,
es lind mit weichem Schleier zu.

3) Unzählbar schickt sie ihre Boten
in's weite All der Schöpfung aus,
füllt mit Lebendigen und Toten
ihr unermesslich weites Haus.
Sie weiß zum Kommen und Vergehen
den segensvollen Augenblick,
ihr Losungswort heißt: Auferstehen!
Und niemals schreitet sie zurück.

4) Jetzt sendet sie der müden Erde
den kühlen Tau, die holde Nacht,
und löst der Sorgen Gram-Beschwerde
im süßen Schlaf mit Zaubermacht.
Auch ich soll ruhn! Doch leises Walten
regt fort des Herzens gleichen Schlag,
bis zwischen bunten Traumgestalten
mich sonnig grüßt der junge Tag.

5) Vielleicht auch, dass zum letzten Schlummer
sich heut' das müde Auge schließt,
und dieses Tages Glück und Kummer
die letzte Lebenswelle ist.
Herr, wie du willst! Dein Weltgebäude
ist überall ein Vaterhaus,
voll Lieb' und Leben, Dank und Freude,
und keinen weisest du hinaus!

6) Nur aus den engen Banden lösen
soll sich die Seele - wunderbar!
Erläutert gehn, ein andres Wesen,
aus jenem Stoff, der irdisch war.
Der neuen Heimat neugeboren,
erwach ich dann, ein träumend' Kind!
Und Liebe, die ich längst verloren,
umfängt mich wieder, treu und lind!

7) Herr, nur dein Wille mag geschehen!
Nicht Tod, nicht Leben wünscht mein Herz!
Still lass mich durch die Jahre gehen,
im Schaffen rüstig, fromm im Schmerz.
Durch Nacht zum Licht! Durch Kampf zum Frieden!
Die Seele dort! die Hülle hier!
So führt ein seliges Ermüden
im süßen Schlaf mich einst zu dir!

Text:
Melodie: Wie groß ist des Allmächtgen Güte