Die Sonne birgt ihr Angesicht    

1) Die Sonne birgt ihr Angesicht
und ist hinweggegangen
mit ihrem wunderholden Licht
und zarten Himmels-Prangen.
aus dunkler Tiefe steigt die Nacht
in ihrer schwarzen Hülle,
mit ihrer schauervollen Pracht,
und ringsum wird es stille.

2) Doch in des Herzens Grunde lebt
ein unermüdlich Sehnen,
des Busens tiefste Tiefe hebt, -
das Aug' ist voller Tränen.
Mir ist die heiße Brust so voll,
von Danke glühn die Sinnen,
ich weiß nicht, was ich beten soll
und wie ich soll beginnen.

3) Die ganze große weite Welt,
mit ihren tausend Gaben,
ist vor uns Menschen hingestellt
uns herzlich dran zu laben,
und alles ist so wunderschön
und gar nicht zu ergründen
und heißt uns zu dem Vater flehn,
zu Ihm das Herz entzünden.

4) Er hat uns alle reich bedacht
mit seiner Gnad' und Segen,
er ist's, der ewig uns bewacht
und führt auf unsern Wegen.
Und ist die Seele müd' und matt
und sehnet sich nach Schlummer,
so macht der Herr sie frisch und satt
und nimmt ihr allen Kummer.

5) Wird uns die Arbeit oft zu schwer
und sinken uns die Hände,
so kommt der treue Gott daher
und macht der Müh' ein Ende
und schenkt uns neuen guten Mut
und stärkt den trägen Glauben.
Und was in seinem Schutze ruht,
das kann dir niemand rauben.

6) Wir sind ja alle krank und schwach
und müssten bald verzagen,
verstände Gott nicht unser 'Ach!'
und unser stilles Klagen.
Wir wären hilflos und allein,
vergänglich wie die Blüten
und ohne Trost in aller Pein:
wollt' Er uns nicht behüten.

7) So lasst uns denn von seiner Huld
nicht wanken und nicht weichen,
ertragen alles mit Geduld
als seiner Gnade Zeichen.
Lasst uns - und wär's in Gram und Not,
in Hohn und schweren Banden, -
ihm bleiben treu bis in den Tod:
'Wer hofft wird nicht zu schanden!'

8) Und ob auch Wolken schwer und bang
oft an dem Himmel stehen,
und sich die Sonne noch so lang
nicht lässt in Freude sehen:
verlangst du nur so recht nach ihr
und traust auf Gottes Treue,
so kommt sie endlich doch herfür,
dass sie dich recht erfreue.

9) Gib Ihm nur alles, alles hin,
was dir dein Herz erfüllet,
in Ihm sei deiner Sehnsucht Sinn
und dein Gemüt gestillet.
Und wenn du alle, die du liebst
und nimmer möchtest lassen,
getrost dem ew'gen Herrn ergibst:
er wird sie wohl umfassen.

10) Ob dann die Welt mit ihrer Macht
dir noch so finster grollte
und dich in ihre grause Nacht
hinunterziehen wollte:
bist du dem heil'gen Gott nur treu,
so wird Er dich beschützen,
das Dräun der Welt zerstiebt wie Spreu
vor seiner Allmacht Blitzen.

11) Wohlan! so halt in Demut dich
an deinen einz'gen Retter
und wandle frisch und freudiglich
mit Ihm durch Sturm und Wetter,
und lass dich nun und nimmermehr
von seiner Seite treiben,
so wird Er deine starke Wehr
und lieber Vater bleiben!

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