1) Der Sonnenuntergang des Himmels Abendrot,
das schwarze Kleid der Nacht, der Schlaf - der halbe Tod.
Entkleidung, Müdigkeit und Hoffnung, aufzustehen,
dies alles reizet mich, o Gott, vor dich zu gehen.
2) Die Sonne geht - nicht du! O meiner Seelen Licht,
o Wärm', O Lebens-Trieb! O Freud, entweiche nicht!
Lass deines Sohnes Sonn' am Himmel meiner Erde,
dass seines Lebens Tag in mir nie dunkel werde.
3) Der Seelen Abendrot, das Bild der Heuchelei,
da zwar viel bunter Schein, und sonst doch nicht dabei
als Nacht und Finsternis der Strafen, wie der Sünden.
Das lass, o Heuchlerfeind, sich doch in mir nicht finden.
4) Die Nacht, der Höllen-Art, des Satans Herrschens-Zeit,
der Träum- und Larvenspiel, das Bild der Traurigkeit,
der Sünden Konterfei, die Blindheit im Gemüte
treib ferne von mir weg durch steten Tag der Güte.
5) Und bleibt gleich noch in uns der alte Seelenschlaf,
der durch der Schlangen Gift in Adam uns betraf:
so lass das Lebenswort doch mich stets auferwecken,
wenn andre mit der Welt noch immer Mohnsaft lecken.
6) Den bunten Rock der Welt, des alten Adams Schuh,
des Fleisches Karmisol als unbequem zur Ruh,
die hab ich abgelegt, die lass ich auch mit Freuden
und Christi Grabe-Tuch soll mich zu Bette kleiden.
7) Auch fühlt die Seele zwar des Leibes Müdigkeit
in ihrem Wettelauf und langem Christenstreit,
und sehnt durch Christum sich nach ihres Tages Ende,
doch gibt sie sich, und dies allein, in deine Hände.
8) Ist dieses denn für sie der Erden letzte Nacht,
so hat sie ja genug in Nächten zugebracht,
in Faulheit, Traum und Schlaf, und hofft, die Erztrompete
der dort versprochnen Zeit und jene Morgenröte.
9) Dies ist mein Andachts-Feu'r, mein Herz ist dein Altar,
ich bin das Opfer selbst, hier brenn ich ganz und gar.
Wenn Sonn' und Abendrot, Nacht, Schlaf, Kleid, Glied vergehen,
so lass mein feurig' Herz dort wie die Sonne stehen.