Der Himmel geht über allen auf (Kanon)    

Zu Form und Theologie des Textes:

Was finden wir vor?
Einen Zweizeiler mit nur sechs verschiedenen Wörtern (davon eines -„alle“ - in der Kasus-Variation 3. und 4. Fall). Die Wörter 4 bis 6 („über allen auf") der ersten Zeile werden in der zweiten Zeile zunächst rückwärts und dann wieder vorwärts wiederholt - das ist schon alles. Ein kleines Meisterwerk sowohl der Poesie (insofern hier wirklich jedes Wort beabsichtigt ist) wie der Theologie!
Sprachlich assoziiert man mit dem Himmel, der über allen aufgeht, den bekannten Ausdruck, dass „die Sonne aufgeht“. Biblisch kommt die Stelle aus der Bergpredigt in den Sinn, wo Jesus das Gebot der Feindesliebe begründet: „... denn er (Gott) lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten“ (Mt 5,45b) - also „über allen“!
Theologisch wird auf denkbar kürzestem Raum eine Himmelslehre dargestellt: Himmel ist nicht nur „so hoch da droben“, etwas außerhalb von uns, aber er lässt sich ebenso nicht nur auf einen Zustand „in“ uns, der letztlich selbst zu schaffen wäre, reduzieren, nein, er hat eine geheimnisvolle doppelte Wirklichkeit: Er ist eine Kraft, über die nicht wir verfügen, weil sie die Sphäre Gottes ist („Der Himmel geht über allen auf“) und eine, die uns verwandelt, als Gottes Kinder erweist, uns als solche erfüllt und miteinander verbindet („Der Himmel geht ... auf alle über“).

Dieser Info-Text stammt von Peter Deckert aus dem AK SINGLES Liedblatt Nr. 62