Der Abendstern blickt sanft auf mich    

1) Der Abendstern blickt sanft auf mich,
der Mond schwimmt dort im Trüben.
Da sammelt euch mein Geist um sich,
euch all, ihr meine Lieben!

2) Fern seid ihr, fern, und Gott nur weiß,
ob wir uns wiedersehen.
Ihr musstet, ach, auf sein Geheiß
aus meinen Armen gehen.

3) Mit jedem blühten Freuden mir
weg von des Lebens Wegen.
Denn jeder war für mich doch hier
ein reicher Gottessegen.

4) Doch sei, All-Liebender, dir Dank,
dass ich die Edlen kannte.
Dass sich auf unserm Pilgergang
ihr Herz zu meinem wandte.

5) Dank sei dir für den Tag gebracht,
an dem wir uns ergötzten.
Dank sei dir für die stille Nacht,
wo wir uns scheidend letzten!

6) Dank für dies Herz, das, Vater, mich
mit ihnen einst vereinte.
Dank für die Tränen selbst, die ich
beim Scheidekusse weinte!

7) Das alles fühlen sei mir Pflicht!
Wars nicht dein freier Segen?
Und führtest du sie, Vater, nicht
selbst meinem Arm entgegen?

8) Hier soll ja ohne Unbestand
die Freud uns nicht beglücken,
mit Hoffnung sollen wir ins Land
der Ruh' hinüber blicken.

9) So sei es denn! Ich habe mich
mit euch gefreut, ihr Lieben,
im Sonnenschein, und wollte sich
auch oft der Himmel trüben.

10) Werd' auch dereinst, so Gott es will,
euch alle wiedersehen.
Hier aber, ohne Murren, still
durchs Erdenleben gehen.

11) O, dass auf euch, die ich so gern
an meinen Busen drückte,
so freundlich, wie auf mich der Stern
des Abends niederblickte!

12) Dass nach des Tages Müh' und Last
auch ihr euch einst erquicket.
Wie ich so ruhig nun der Rast
der Nacht entgegenblicktet!

13) Du, aller Vater, segne sie,
vernimm für sie mein Flehen
und lass mich einst, spät oder früh,
sie fröhlich wiedersehen!

Text:
Melodie: Hör, liebe Seel, dir ruft der Herr