Auf Erden hier wohnt lauter Unverstand    

1) Auf Erden hier wohnt lauter Unverstand,
der Himmel ist der Weisheit Vaterland:
dahin will ich mich jetzt im Geiste schwingen,
Witz und Verstand mit mir zurücke bringen.

2) Zum Zionsberg heb ich die Augen auf
und mit Gebet mir Rat und Hilfe kauf:
dort quellen auf die rechten Musenbrunnen,
aus welchen kommt Witz und Verstand gerunnen.

3) Lass deinen Geist, o Gott, mich feuern an,
der nur allein mich geistig machen kann:
ohn' dich ist nichts mein Dichten und mein Wachen,
es kann ohn' dich mein Machen wenig machen.

4) Gib ihn mir zu als einen treuen Rat,
wenn meine Wahl wankt zwischen Nutz und Schad',
dass mein Verstand nicht mög' des Guten fehlen,
und dass der Will' das Beste mög erwählen.

5) Sag meinem Sinn, wenn er sich selbst vergisst,
was mir zu tun und was zu lassen ist,
dass ich nicht blind und unvorsichtig laufe
und vollen Sprungs in mein Verderben schnaufe.

6) Oft will ich nicht, was ich doch heiße gut,
und tue das, wovor mich warnen tut
dein Geist in mir. Lass mich nur ihm zuhören
und der Begierd' ihr Drachen-Nest zerstören.

7) Du legest mir oft Tod und Leben für:
dies schlag ich aus und jenes wähl' ich mir.
Vergib die Schuld und lass mich Sünde meiden:
vor Gottesfurcht ist mir viel Lohns bescheiden.

8) Gott, lass mich Gold nicht suchen mehr als dich,
die Tugend, nicht das Gold bereichre mich.
Mein' Ehre sei nur dieses, dich zu ehren,
lass keine Lust mich außer dir begehren.

9) Ob mich auf Erd' plagt Schmach und Not und Leid:
auf kurze Zeit folgt lange Ewigkeit.
Zwei Freuden sich und auch zwei Leiden zählen:
man muss dies, jen's Leid für jene, diese Freud' erwählen.

10) Hier Wohl, dort Weh, hier Freud und dorten Leid;
hier Seligkeit, dort lange bange Zeit.
Hier reich, dort arm, hier Himmelreich, dort Hölle;
hier Ehr', dort Schmach: die Welt dies Urteil fälle!

11) Hier Weh, dort Wohl, hier Leid und dorten Freud;
hier Eitelkeit und dorten Ewigkeit.
Hier arm, dort reich, dort Himmelreich, hier Hölle;
hier Schmach, dort Ehr: hierauf mein Ziel ich stelle.

12) Das beste Teil, o Gott, erwähl' ich mir,
das mein soll sein und bleiben für und für:
die Welt – sie mag ihr Teil auf Erd' verwalten –
das böse Teil dort ewig muss behalten.

Text:
Melodie: Auf, auf, mein Herz, und du mein ganzer Sinn,