Auf des Lebens Dornenbahn hienieden    

1) Auf des Lebens Dornenbahn hienieden
ließ uns Gott zwar manche Blume blühn.
Dass wir nicht auf seinem Pfad ermüden,
gab er Hoffnung uns zur Führerin.
Doch die Blüten unsrer Seligkeiten
kann ein Sturm im Augenblick verwehn,
und die schwache Hoffnung bessrer Zeiten
lässt uns oft getäuscht und hilflos stehn.

2) Nur des Himmels höchste, beste Gabe,
Ahnung jener Welt verlässt uns nicht!
Sicher wandern wir an ihrem Gabe,
wenn der Erdenhoffnung Stütze bricht.
Ihr erschalle heut' von meinen Saiten
auf zum Himmel ein erhabnes Lied!
Feurig müss' es jetzt ihr Lob verbreiten,
feurig, wie's in meiner Seele glüht!

3) Wenn mein Geist dem niedern Weltgewühle
sich entreißt, und in die Stille flieht,
und das Schale ihrer Torenspiele,
ihrer Schätze mattes Blendwerk sieht.
Sieht, wie selbst des Weisen bessre Freude,
Wissenschaft und Dunkelheit entehrt,
wenn er fühlt, dass diese Erdenweide
nimmer ihm ein dauernd Glück gewährt.

4) Dann erscheint das Los des Erdenlebens
diesem Geiste rätselhaft und klein.
Und es spräche an mein Herz vergebens,
sich des kurzen Daseins hier zu freun:
wenn nicht Hoffnung jener Welt erschiene,
mich der Schwermut schwarze Nacht entriss,
und mit lichtverklärter Engelmiene
mich in's bess're, höh're Leben wies.

5) Wenn mein Herz dann, dass hier Leiden
die Gefährten meines Lebens sind,
während wie im Rausche süßer Freuden
andern ihre Lebenszeit verrinnt.
Dann spricht Ahnung jenes bessern Lebens
mit den sanften Trost in's wunde Herz:
"Keine Träne weinst du hier vergebens,
ew'ge Lust gebiert dereinst dein Schmerz!"

6) Süße, unaussprechliche Gefühle
schafft sie mächtig dann in meiner Brust,
wenn ich in der Abenddämm'rung Kühle,
ferne von der Erde Taumellust,
durch des Frühlings neugeschaffne Fluren,
oder in der Haine Schatten geb',
und der Allbelebung helle Spuren
durch die weite Schöpfung schimmern seh'.

7) Seh den Mond am unbewölkten Himmel
in bescheidnem Glanz vorüberziehn,
und der Sterne prächtiges Gewimmel
majestätisch in der Ferne glühn:
dann lüpft Ahnung höhern Seins den Schleier,
der mir noch sie ganz zu schauen wehrt,
heit'rer wird die Aussicht dann und freier
auf Gefilde, die kein Nord zerstört.

8) Sie ist's, die mit lichtbeglänztem Flügel
mild wie Frühlingswehen mich umschwebt,
wenn auf der Geliebten Aschenhügel
meine Brust der Trennung Schmerz durchbebt,
die des Wiedersehens frohe Szene
voll Entzücken mir vor Augen malt:
dass nun wieder nach verweinten Tränen
Heiterkeit in meine Seele strahlt.

9) Wenn mein Blick der Gräber finstre Höhle
der Verwesung Schauer ängstlich scheut:
dann erheitert die erschrockne Seele
Ahnung seliger Unsterblichkeit.
Nur der Leib, die Erdenhülle modert,
auch er kommt verschönert einst hervor -
doch mein Geist, der Gottheit Funke lodert
bald zum Urquell seines Seins empor.

10) Hoffnung bess'rer Zukunft, du der müden
erden Wandrer beste Trösterin!
Leite mich an deiner Hand hienieden
bald zum Ziel der rauen Laufbahn hin!
Meine Brust von deinem Trost erfüllet,
schreckt des Todes banges Grauen nicht.
Denn die Nacht, die hier mein Aug' umhüllet,
grenzt an jenes ew'ge Morgenlicht!

Text:
Melodie: Unbekannt