Zwölf Jahre lang Fußböden gescheuert

Eines Tages stand in einer Chicagoer Zeitung eine Anzeige: 5000 Dollar wurden für jede Information geboten, die zur Festnahme eines Polizistenmörders rühren würde. Ein Reporter stieß auf die Anzeige, und sein Interesse erwachte. Er ging dem Fall nach und fand heraus, dass zwölf Jahre zuvor ein junger Mann namens Majec unter der Anschuldigung des Mordes an einem Polizeibeamten verhaftet und ins Gefängnis gesteckt worden war. Das Beweismaterial war jedoch sehr zweifelhaft, und es war durchaus fragwürdig, ob der Schuldspruch zu Recht gefällt worden war. Der Reporter suchte die in der Anzeige angegebene Anschrift auf und entdeckte, dass es sich dabei um ein sehr ärmliches Viertel hinter den Schlachthöfen von Chicago handelte. Eine alte, sauber gekleidete, aber offensichtlich sehr arme Frau öffnete. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie Majecs Mutter war. Sie hatte niemals an die Schuld ihres Sohnes geglaubt und war entschlossen, seine Unschuld zu beweisen. Deshalb hatte sie die Belohnung ausgesetzt. "Aber 5000 Dollar sind eine Menge Geld", meinte der Reporter. "Wo haben Sie das her? Und wie können Sie alles als Belohnung aussetzen?"
Ihre Antwort bestand aus einem einzigen Satz: "Ich habe Fußböden gescheuert." Zwölf Jahre lang, acht Stunden täglich, fünf Tage in der Woche hatte sie gescheuert, und sie hatte gespart und gespart, bis sie das Geld für die Belohnung zusammen hatte. Das Endergebnis war, dass die Zeitung den Fall aufgriff: Man konnte die Unschuld ihres Sohnes beweisen, und er wurde freigelassen. Sie hatte diesen großartigen Erfolg dadurch errungen, dass sie Fußböden gescheuert hatte, dass sie die Routinearbeit treu und sorgfältig ausgeführt hatte.
Wollen wir aus unserem Leben etwas Bedeutsames machen, so dürfen wir nicht von großen Dingen träumen, sondern müssen treu und sorgsam die kleinen Dinge tun.

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 854
© Alle Rechte vorbehalten