Zwanzig Jahre später - mit Zinsen zurück
Ehe Eisenbahnen fuhren, verkehrte eine Postkutsche zwischen Glasgow und Greenock. Eines Tages bemerkte eine Dame, die in dieser Postkutsche fuhr, einen Knaben, der barfuß ging und sehr müde zu sein schien. Sie ließ den Kutscher anhalten und den Knaben einsteigen. Sie wollte die Fahrt für ihn bezahlen. Als sie beim Gasthof in Greenock, einer Seehafenstadt, ankamen, fragte sie den Knaben, was er dort zu tun gedenke. Da sagte er, er möchte gern zur See fahren und hoffe, einer der Kapitäne werde ihn mitnehmen. Sie gab ihm drei Mark, wünschte ihm Glück und sagte ihm, er solle sich nur gut machen und Gott lieben und Ihm dienen. Darüber vergingen zwanzig Jahre.
Eines Nachmittags fuhr der Wagen dieselbe Straße entlang nach Glasgow. Unter den Fahrgästen befand sich ein Seekapitän. Als sie ungefähr dieselbe Stelle erreicht hatten, wo damals der Junge hatte einsteigen dürfen, bemerkte der Kapitän eine alte Dame auf der Straße, die sehr langsam ging und sehr abgespannt und müde aussah. Er bat den Kutscher, diese Dame einsteigen zu lassen, er wolle für sie bezahlen. Kurz darauf wurden die Pferde gewechselt und alle Fahrgäste stiegen aus; nur der Kapitän und die alte Frau blieben sitzen. Als sie allein waren, dankte die Dame dem Kapitän für seine Freundlichkeit, ihr einen Platz im Wagen zu geben, da sie nicht hätte so viel bezahlen können. Er sagte darauf, er habe immer Mitleid gehabt mit armen, müden Fußwanderern, denn vor zwanzig Jahren habe an genau derselben Stelle des Weges eine gütige Dame ihn auch einsteigen lassen und ihm die Fahrt nach Greenock bezahlt.
"O, dessen erinnere ich mich noch genau," sagte sie, "denn ich selber bin die Dame; meine Verhältnisse haben sich aber geändert. Damals ging es mir gut; nun bin ich aber arm geworden durch das schlechte Verhalten eines verlorenen Sohnes."
Da schüttelte der Kapitän ihre Hand und sagte ihr, wie sehr er sich freue, sie wiederzusehen und fuhr fort: "Ich habe Glück gehabt und kehre jetzt auf mein Besitztum zurück, um daheim zu bleiben; und nun, meine gute Freundin, ich will Ihnen für die Zeit Ihres Lebens eine jährliche Rente von 500 Mark aussetzen."
So zahlte Gott ihr die jenem Knaben damals erwiesene Freundlichkeit mehr als hundertfach zurück.
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