Zu stark um heilig zu sein?

Watchman Nee berichtet:
Ein Bruder, der verbissen um Sieg in der Heiligung kämpfte, klagte mir, dass er nicht verstehe, warum er so schwach sei. "Der Haken bei dir ist", sagte ich, "dass du zwar zu schwach bist, um Gottes Willen zu erfüllen, dass du aber nicht schwach genug bist, um es gar nicht zu versuchen. Du bist immer noch zu stark. Wenn du so schwach bist, dass du einsiehst, dass du überhaupt nichts vermagst, dann wird Gott alles tun." An diesen Punkt müssen wir alle kommen.
Ich wohnte einmal mit etwa zwanzig anderen Brüdern vorübergehend in einem Hause, von dem aus wir täglich in einem Flusse badeten. Einmal bekam ein Bruder im Wasser einen Beinkrampf, und ich sah, wie er plötzlich zu sinken begann. Ich machte schnell einen anderen Bruder, der ein ausgezeichneter Schwimmer war, darauf aufmerksam, damit er ihm zu Hilfe komme. Aber zu meinem Erstaunen rührte sich dieser nicht vom Fleck. Ich rief ihm in höchster Aufregung zu: "Siehst du nicht, dass der Mann ertrinkt?" Auch die anderen Brüder riefen wild durcheinander. Und immer noch bewegte sich unser Schwimmer nicht, gerade als ob er die unangenehme Pflicht aufschieben wollte. Inzwischen wurden Stimme und Bewegungen des Ertrinkenden immer schwächer. Ich fühlte, wie ich den anderen Mann in meinem Herzen hasste. Aber als der Hilfesuchende im Wasser tatsächlich sank, war der Schwimmer mit ein paar kräftigen Zügen an seiner Seite, und in kurzer Zeit waren beide sicher an Land. Sobald ich Gelegenheit fand, machte ich meinem Herzen Luft und sagte: "Ich habe noch nicht leicht einen Christen gesehen, der sein Leben so lieb hat wie du. Wie viel Angst hättest du dem armen Bruder erspart, wenn du ein bisschen weniger an dich und ein bisschen mehr an ihn gedacht hättest!" Aber der Schwimmer kannte sich aus.
"Wäre ich früher zu ihm gekommen", antwortete er, "so hätte er mich so fest umklammert, dass wir beide untergegangen wären. Einen Ertrinkenden kann man erst retten, wenn er keine Anstrengungen mehr macht, sich selbst zu retten."
Wenn wir unseren Fall aufgeben, dann übernimmt ihn Gott. Er wartet, bis wir am Ende unserer Möglichkeiten sind. Alles, was von der alten Schöpfung ist, hat er zum Kreuz verurteilt. Das Fleisch vermag nichts. Wenn wir etwas im Fleisch ausrichten wollen, weisen wir tatsächlich das Kreuz Christi zurück.

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 601
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