Zu spät zum Lieben!

Auf der Zeche hatte es eine Explosion gegeben. Die toten Bergleute lagen zur Feststellung ihrer Person nebeneinander gebettet. An einem Leichnam kniete ein junges Weib, ihr Antlitz bleich vor Entsetzen. Ein Stöhnen ringt sich von ihren Lippen: "Ach, wäre ich doch nur zuletzt lieb zu ihm gewesen! Oh, wenn er nur noch eine einzige Minute lang leben würde, damit ich ihn bitten könnte, mir zu vergeben, aber es ist zu spät! Oh, ich würde es ertragen können, wenn ich zuletzt nur freundlich zu ihm gesprochen hätte!"... Am Morgen hatten sie einen Streit gehabt, sie und ihr Heinz. Das Feuer wollte nicht brennen, und das Frühstück wurde nicht zur rechten Zeit fertig. Auf beiden Seiten waren harte Worte gefallen. Aber trotzdem das Frühstück nicht genießbar war, war Heinz noch einmal umgekehrt und hatte gebeten: "Komm, gib mir einen Kuss, ich weiß ja doch, dass du mich lieb hast; lass uns nicht im Bösen auseinandergehen." Trotzig hatte sie erwidert: "Nein, Heinz, ich habe dich nicht lieb." Er hatte seine Bitte wiederholt:
"Komm, gib mir einen Kuss!" Nein, sie wollte nicht und nun... "Lieber Heinz, sag mir ein Wort, sag, dass du mir vergibst." - Aber es war zu spät.

 

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 615
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