Zerlesene Bibel eines vielbeschäftigten Mannes
Pastor Ernst Lohmann schrieb seinerzeit (in seinem "Weg", 1910,10):
Ich sprach einmal mit den Angehörigen des bekannten Professors Hilty in Bern. "Nicht wahr, er las oft in seiner Bibel?", fragte ich.
"Ja, so oft, dass sie ganz zerlesen und zerfetzt ist."
"Dürfte ich sie wohl einmal sehen?"
"Ach, sie war derartig verbraucht, dass wir sie wegtun mussten. Aber hier haben Sie die neue Bibel, die er seither benutzt hat."
Diese "neue" Bibel des Professors Hilty, die auf dem Arbeitstisch den Ehrenplatz hatte, sah bereits ganz alt aus. Die Ränder waren mit Anmerkungen versehen, viele Verse rot unterstrichen, das Inwendige des Deckels und die meisten Blätter waren ganz fein beschrieben mit Gedanken und Betrachtungen. Beim Durchblättern der Bibel fiel es mir auf, dass alle Bücher der Bibel gleichmäßig mit Zeichen versehen waren; aber die Propheten, sogar die kleinen Propheten, müssen sein Lieblingsbuch gewesen sein, denn hier waren die Seiten besonders verbraucht.
Hilty war Politiker, Rechtsgelehrter, Chef des schweizerischen Militärgerichts, ein ausgezeichneter Historiker, ein Schriftsteller ersten Ranges - sein Buch über das "Glück" hat bisher 42 Auflagen erlebt -, und doch nahm er sich die Zeit, täglich stundenlang in der Heiligen Schrift zu forschen. Die Bibel war die Quelle seiner Kraft.
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