Wo kommt der Mut her?
Pfarrer Oberlin im Steintal war es zu Ohren gekommen, dass einige junge Leute ihn am nächsten Sonntag, wenn er nach beendigtem Gottesdienst vom Filialdorf nach Waldbach zurückreiten würde, in einen Wassertrog tauchen wollten, weil er "zu viel Hitze" habe. In seiner Predigt redete nun Oberlin von der besonderen göttlichen Obhut, deren sich die zu erfreuen hätten, die stets vor Gottes Augen wandelten, und erklärte: "Meine lieben Freunde, ich kenne die Anschläge meiner Widersacher und habe erfahren, dass sie Lust haben, mich auf meinem Rückwege in einen Wassertrog zu tauchen. Aber ihr kennt mein Pferd nicht, wenn ihr glaubt, dass es möglich sei, mich zu ergreifen. Wisset indes, dass ich den Feinden den Plan leichter machen und zu Fuß zurückgehen werde. Alsdann haben sie gewonnenes Spiel, da ich nicht so stark laufen kann wie sie. Übrigens glaubt nur nicht, dass sie mir ohne den Willen meines Vaters im Himmel auch nur ein Haar auf meinem Haupte krümmen können."
Wirklich ging er darauf zu Fuß fort und ließ sich sein Pferd nachführen. An dem bewussten Ort standen in der Tat mehrere handfeste, junge Burschen hinter einer Hecke, allein Oberlin ging langsamen, festen Schrittes und freundlich grüßend an ihnen vorüber, und niemand wagte es, Hand an ihn zu legen.
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