Wir sind alle Egoisten

"Alles, was du brauchst, ist Liebe", haben seinerzeit die Beatles gesungen. Marilyn Monroe (1926-1962), die, viermal verheiratet, nach diesem Rezept lebte, schreibt auf einen Zettel, bevor sie stirbt: "Ich sehnte mich nach grenzenloser Liebe."
Nicht nur sie. Von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), dem musikalischen Wunderknaben, wird erzählt, dass er die seltsame Angewohnheit hatte, als Kind auch in vornehmster Gesellschaft einen nach dem anderen zu fragen: "Hast du mich lieb?" Wenn diese Frage bejaht wurde, wiederholte er sie: "Hast du mich wirklich lieb?" Und jedesmal strahlte das Büblein, wenn ihm wirkliche Liebe zugesichert wurde. Nur einmal sei es geschehen, dass irgendein Grobian auf diese kindliche Frage nicht geantwortet habe. Daraufhin habe sich der kleine Mozart plötzlich abgewandt und heftig zu weinen begonnen.
Wie viele mögen wohl insgeheim weinen, weil man sie nicht liebt! Und darum werden die einen zu viel strapazierten Managern, weil sie in der Anerkennung ihrer Leistung letztlich Liebe suchen; darum setzen sich unbewusst andere in die Krankheit ab, weil sie sich für kurze oder längere Zeit liebevolle Betreuung erhoffen. Darum schließlich wird der eine oder andere kriminell, weil er in irgendeinem Resozialisierungszentrum mit jener Liebe rechnet, die er vermutlich nie oder in einer zu kleinen Dosierung bekommen hat. Ist übrigens das viele Gerede vom Sex nicht letztlich ein verzweifelter Schrei nach selbstloser Liebe?
Marshall Tito (1892-1980) hat den Satz formuliert: "Es gibt in Jugoslawien keinen Kommunismus. Auch in der Sowjetunion gibt es ihn nicht, denn wir bleiben Egoisten."

Quelle: In Bildern reden, Heinz Schäfer, Beispiel 1171
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