Willkommen, mein Bruder! - Von einem Heiden missioniert
Auf den Fidschiinseln an Land zu gehen, war eine gefährliche Angelegenheit. Das konnte das Leben kosten. Kapitän Bertram hätte es auch nicht getan, wenn es nicht hätte sein müssen. Aber wenn der Wasservorrat eines Schiffes erschöpft ist oder die Lebensmittel knapp werden, dann muss der Seemann wohl oder übel an Land.
Als erfahrener Schiffsführer kannte Bertram die Bevölkerung der Fidschiinseln. Er wusste, dass auf diesen Koralleninseln Kannibalen hausten, die schon manchem Fremdling einen schauerlichen Tod bereitet und ihn verzehrt hatten. Darum war er sehr ernst gestimmt, als er einer der zahlreichen Inseln zusteuerte.
Die Eingeborenen hatten das Boot schnell entdeckt. Eine große Schar versteckte sich am Ufer. Jetzt landete das Boot. Als Kapitän Bertram ausstieg, eilte eine wunderliche Gestalt auf ihn zu, ein hoch gewachsener, halb europäisch gekleideter Insulaner, der Häuptling des Inselvolkes. Der Kapitän staunte, als dieser seltsame Mann ihm die Hände entgegenstreckte und ihm auf englisch zurief: "Willkommen, mein Bruder!"
Der Kapitän war von diesem unerwarteten, freundlichen Empfang so überwältigt, dass er zuerst kein Wort sprechen konnte. Der Häuptling aber wandte sich zu seinen Männern, die ihm gefolgt waren, und sagte: "Ein Mann aus dem Lande der Christen ist zu uns gekommen!"
Jetzt verstand Kapitän Bertram alles: Diese einst gefürchteten Menschenfresser der Südsee waren Christen geworden. Und ihr neuer Glaube war ihnen so lieb, dass ein Mann aus dem Lande der Christen ihnen als Bruder willkommen war.
Nun fuhr der Häuptling fort: "Es ist die Stunde, in der wir den Abendsegen halten. Versammelt euch alle! Heute wird unser Bruder aus dem Christenlande zu uns sprechen."
Über diese Worte erschrak der Kapitän. "Das kann ich nicht", versicherte er. Der Häuptling sah ihn erstaunt an. "Fürchtest du, dass meine Leute dich nicht verstehen?", fragte er endlich. "Ich werde übersetzen."
Jetzt befand sich der Kapitän in einer peinlichen Verlegenheit. Auf dem Meer wusste er wohl Bescheid, aber nicht in der Heiligen Schrift. Er hatte sich seit seiner Kindheit nicht mehr um Gottes Wort gekümmert. Wie sollte er nun eine Abendandacht halten können? Beschämt stand er vor dem Häuptling, der es gar nicht fassen konnte, warum der Fremdling noch immer zögerte. Eine Unwahrheit konnte Bertram diesem guten, treuherzigen Manne nicht sagen.
"Meine Mutter hat immer mit mir gebetet, als ich ein kleiner Junge war. Sie starb frühzeitig, und ich kam zur See. Da habe ich Gottes Wort vergessen", erklärte er.
"Gottes Wort vergessen?", wiederholte der Eingeborene ungläubig. Konnte man einen solch wertvollen Schatz besitzen und dennoch vergessen? Die Weißen sind doch wunderliche Menschen!
"Aber du glaubst doch an unseren Herrn Jesus Christus?" fragte der Häuptling weiter und schaute den Seemann mitleidig an.
Da war dem Kapitän zumute, als stehe er vor einem Gericht. Plötzlich fühlte er die grauenvolle Leere seines glaubenslosen Lebens. Trotzdem mochte er nicht lügen.
Erneut schüttelte er den Kopf und sagte leise: "Nein." Da zuckte tiefer Schmerz über das Gesicht des Häuptlings. Traurig schaute er den Fremden an, als er sprach: "Ein Mann aus dem Christenland - glaubt nicht an unseren Herrn Jesus! O wie schrecklich ist das doch!"
Nun gab er seinen Männern ein Zeichen und ging fort. Sie folgten ihm zu einem erhöhten Platz der Insel nahe am Ufer, der von herrlichen Palmen beschattet war und von dem man weit aufs Meer hinausschauen konnte. Dort hielt der Häuptling mit seinem Volk die allabendliche Andacht. Heute aber betete er um des fremden Gastes willen in englischer Sprache.
In seinem ganzen Leben hatte Kapitän Bertram keine so ergreifende Feier erlebt. Er konnte seine Augen nicht von den braunen Männern und Frauen wenden, die sich mit heiligem Ernst dem Schütze Gottes anbefahlen.
Andächtig betete der Häuptling mit der Kraft eines Mannes und dem Vertrauen eines Kindes. Er redete mit Gott wie mit einem Freund und bat ihn um Schutz und Segen für sein Inselvolk. Dann gedachte er besonders des weißen Fremdlings und seiner Begleitung und flehte Gott an, dem armen Bruder zu helfen, der zwar im Christenlande aufgewachsen war, aber nicht an den Herrn Jesus glaubte.
"Herr, lass ihn nicht wieder von unserer Insel fortziehen, ehe er dich gefunden hat!", so schloss das Abendgebet des Häuptlings.
Es wurde nun ruhig, ganz ruhig. Nur die Palmen rauschten leicht im kühlen Abendwind, der von der See herüberwehte, während die gläubigen Insulaner still für sich beteten. Da neigte auch der Kapitän sein Haupt vor Gott - zum erstenmal seit langer Zeit. Auf den Fidschiinseln hatte er endlich den Herrn Jesus gefunden.
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