Wie Vertrauen einen Menschen verwandelt

A. S. Makarenko hatte im Jahre 1920 in der Ukraine eine Arbeitskolonie für Kinder und Jugendliche gegründet, die auf den Weg des Verbrechens geraten waren. In einem Buch, welches er darüber geschrieben hat, lesen wir folgendes Erlebnis, das er mit Semjon, einem Zögling dieser Kolonie, hatte.
Makarenko gibt Semjon eines Tages die Vollmacht, 500 Rubel vom Finanzamt zu holen. Semjon ist darüber zutiefst erschrocken. Solches Vertrauen hat ihm noch niemand in seinem Leben geschenkt. Er führt den Befehl ordnungsgemäß aus und legt am Abend das Päckchen Banknoten auf den Tisch. Makarenko fragt ihn, ob er das Geld gezählt habe. Als Semjon bejaht, legt er das Päckchen in den Tischkasten, ohne nachzuzählen.
Zwei Wochen später beauftragt Makarenko denselben Jungen, 2000 Rubel aus der Stadt zu holen. Scheu und zögernd hört dieser den fast unglaublichen Auftrag. Wieder erledigt er ihn gewissenhaft. Doch als er das Geld bringt, bittet er den Leiter, es nachzuzählen. Makarenko aber legt diese Summe ungezählt beiseite. Semjon stammelt, dass soviel Vertrauen in seine Person unmöglich sei. Als er jedoch merkt, dass dieses Vertrauen ihm wirklich geschenkt wird, bricht er in einen wahren Jubel aus. Er wird ein neuer Mensch! Die gütige und weise Führung des Erziehers hatte dem Verkommenen und Widerstrebenden die Möglichkeit eines neuen Anfangs gegeben.
Dem Burschen war etwas Ähnliches geschehen wie einst dem Petrus. Er hatte in der verhängnisvollen Nacht, in der Jesus von seinen Feinden gefangen genommen wurde, seinen Herrn verleugnet. Das war ein furchtbares Versagen gewesen. Als Petrus das merkte, fing er bitterlich zu weinen an. Das war die große Schuld, über die ein Mensch verzweifeln konnte. Und nun erlebte gerade er eine wunderbare Wende in seinem Leben. Er war mit den anderen Jüngern in die Heimat zurückgekehrt und ging wieder seinem Fischerhandwerk nach. Als Jesus dort seinen Jüngern erschien, musste Petrus bestimmt annehmen, Jesus werde ihm nichts mehr anvertrauen. Und gerade mit ihm redete Jesus und gab ihm einen großen Auftrag: Ihm wurde die Leitung der Gemeinde anvertraut. Er sollte als Bote seines Herrn hingehen und sein Wort weitersagen, die Menschen trösten, ihnen helfen und sie zu Jesus führen. Das war freilich für Petrus eine überwältigende Sache. Der, den er so verleugnet hatte, hat trotzdem zu ihm Vertrauen! Nicht einmal ein Vorwurf bleibt! Da kam die große Freude über ihn: Meine Schuld ist mir vergeben! Ich darf neu anfangen!

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 228
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