Wie Propst Marnitz starb

Am 12. Januar 1919 wurde er in Riga wegen "antirevolutionärer Tätigkeit" im Jahre 1905 vom Tribunal zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung wurde von einem Gefängniswärter mit angesehen. Am nächsten Morgen fragte ein anderer nach dem Verlauf der Hinrichtung. Ein Gefangener belauschte hinter der Zellentür ihr Gespräch. 
"Nun", sagte der eine, "gestern habt Ihr den alten Propst abgeschossen das war auch solch ein verfluchter Bürgerlicher." 
,,Ja", erhielt er zur Antwort. 
"Warum bist du denn heute so still? Sonst hat dir doch das Abschießen immer soviel Spaß gemacht, dass du viel davon schwatztest." 
Der an dem Erschießen Beteiligte schwieg. 
"Nun, erzähle doch, hat der alte Hund sich gewehrt? Habt ihr ihn tüchtig binden müssen?", fragte der andere weiter. 
"Wir wollten es wohl, doch er sagte: Das ist nicht nötig, ich werde selbst ruhig stehenbleiben." 
"Nun, stand er ruhig? Hat er geheult?" 
"Er stand ruhig und geheult hat er nicht, nur etwas gesprochen." 
"Was hat er denn gesprochen?" 
"Er hat eigentlich nicht gesprochen, er hat gebetet." 
"Ha, ha, gebetet! Wahrscheinlich hat er um sein Leben gebettelt, dieser Lump!" 
"Nein, er hat für uns gebetet." 
Beide schwiegen. Es sprach nur noch das Sterben dieses Mannes zu den beiden Wärtern. Er redete durch seinen Tod noch lauter, als er durch sein Leben zu ihnen hatte reden können. 

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 1669
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