Wie die Flut die Kähne aus dem Sand hebt

G. v. Bodelschwingh schreibt: Wenn wir als Kinder mit unserem Vater am Ufer des Meeres spielten, machten wir uns manchmal mit den Schifferkähnen zu schaffen, die während der Ebbe am Strand lagen. Ihr schwerer Kiel hatte sich tief in den Sand hineingebohrt. Halb zur Seite gelehnt lagen sie da in schwerfälliger und träger Ruhe. Wir Kinder versuchten, sie aufzurichten und dem Meere zuzuschieben. Aber sie waren uns viel zu schwer. Vater sagte: "Es nützt nichts; ihr müsst warten, bis die Flut kommt." Das taten wir dann auch.
Allmählich kamen nun die Wellen heran, kleine Wellen, schwache Wellen zuerst. Die plätscherten nur leise unten an den schweren Kahn. Ach, dachten wir, die kriegen es auch nicht fertig! Aber dann kamen sie näher und stiegen höher und rüttelten immer stärker an dem Boot. Plötzlich fing es an zu schwanken. Dann richtete es sich auf. Zuletzt gab es noch einen starken Ruck. Nun wussten wir, dass der Kiel aus dem Sand herausgerissen war. Jetzt war das Schiff frei zu neuer Fahrt. - So liegt auch das Fahrzeug unseres Lebens fest im Sande der Selbstsucht, schwerfällig und in behäbiger Ruhe. Wir kommen erst dann von der Stelle, wenn die Flut der Liebe Christi ihre umfassende, hebende, tragende, bewegende Kraft an uns bewährt.

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 697
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