Wer sorgt für verwaiste Vögel?
Ein Landmann dachte: Wenn ich sterbe, oder wenn ich krank werde, was soll dann aus meinem Weib und meinen Kindern werden? Vermögen habe ich keines. Verwandte auch nicht. Diese Sorge nagte an seinem Herzen. Als er nun eines Tages traurig auf dem Felde arbeitete, sah er einige Vögel, die in einen Busch schlüpften und eiligst wieder herauskamen. Als er näher trat, bemerkte er zwei Nester nebeneinander und in jedem etliche Junge, die erst aus dem Ei gekrochen und noch ohne Federn waren. Die Alten trugen den Jungen Futter zu. Kaum hatte er sich jedoch entfernt, so sah er, wie eines der Weibchen von einem Sperber gepackt und zerrissen wurde. Als er dies sah, wurde er unruhiger als zuvor. Er dachte: "Der Mutter Tod ist der Kinder Tod. Die Meinigen haben nur mich, um sie zu versorgen. Und wenn ich ihnen fehle, wird es ihnen gehen wie diesen Jungen. Sie müssen zugrunde gehen". Am andern Morgen kam er wieder aufs Feld und ging, um zu sehen, was aus den Jungen geworden sei. Als er zum Busch trat, sah er zu seinem Staunen, dass die Jungen, deren Mutter tot war, ganz wohlbehalten waren. Das wunderte ihn. Er versteckte sich, um zu sehen, wie das zuginge. Bald darauf hörte er einen leisen Schrei und sah, wie die andere Vogelmutter mit einem Schnabel voll Futter zum Neste kam und das Futter unter die jungen Vögel verteilte. Da sprach er zu sich selbst: "Sehet die Vögel an! Das ist eine Lehre für mich. Wenn ich sterbe, so werden auch andere da sein, die sich meiner Kinder annehmen. Und wenn niemand da wäre, so ist der himmlische Vater noch da. Er weiß, was sie bedürfen."
Nach Stuckert, "Jesusgeschichten".
© Alle Rechte vorbehalten