Wer glaubt, der fliehet nicht

Im Jahre 1665 wütete die Pest zu Lon­don. Lord Crowen, der gerade in jener Stadt wohnte, wurde durch die von der Pest verursachten Todesfälle so sehr in Schrecken versetzt, dass er sich entschloß, die Gefahr der Ansteckung zu meiden und sich auf eine seiner entferntesten Besitzungen zu begeben. Alle Anstalten waren schon getroffen, der bepackte Wagen stand vor der Türe. Lord Crowen ging noch in dem Saal auf und ab, um auf den Augenblick der Abreise zu warten. Er näherte sich gerade dem geöffneten Fen­ster, als er einen seiner (noch heidnischen) Neger, der ihn bediente, zu seinen Kameraden sagen hörte: "Weil unser Herr London verläßt, um sich vor der Pest zu retten, so denke ich mir, dass sein Gott auf dem Lande wohnt und nicht in der Stadt."

Dieses Wort, das ohne besondere Absicht in Einfalt von einem armen Neger ausgesprochen wurde, der an mehrere Götter glaubte, machte auf Lord Crowen einen tiefen, heilsamen Eindruck. Er sagte nun zu sich selbst: "Mein Gott ist überall und kann mich in der Stadt wie auf dem Lande schützen; mein Neger hat mir eine nützliche Lehre gegeben. Vergib mir, Herr, den Mangel an Vertrauen, der mich dein Angesicht fliehen hieß! Ich will jetzt nicht abreisen."

Er ließ sogleich seinen Wagen wieder abladen und blieb in London während der ganzen Zeit, da die Seuche daselbst wütete. Er richtete an die Kranken Worte des Trostes und der Hoffnung und half den Unglücklichen auf. Sein Vertrauen wurde nicht zuschanden; er und seine Familie blieben von der ge­fürchteten Krankheit verschont.

Quelle: Neues und Altes
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