Wer dikitert die Bedingungen?

Ein Bankier und ein Geschäftsmann sitzen in ernstem Gespräch einander gegenüber. Eben beugt sich der Geschäftsmann während seiner Darlegungen nach vorne, als ihn sein Gegenüber heftig unterbricht:
"Das ist ja lächerlich, geradezu widersinnig, eine ausgemachte Verrücktheit!" Dabei verzieht der stolze Bankherr geringschätzig seine Mundwinkel. "Aber warum?" fragt sein Gesprächspartner.
"Warum? - Als denkender Mensch fragen Sie noch warum? Solch ein Irrsinn!" Der vornehm ausgestattete und doch kühl-sachliche Geschäftsraum hallt wider von seinem höhnischen Lachen. "Ja, Herr Direktor, ich frage Sie: Warum?"
Das Gesicht des Bankiers verdüstert sich. Man spürt den Unwillen in seiner Stimme, als er antwortet:
"Warum? - Sie wollen mir doch nicht etwa erzählen, dass Gott sich zufrieden stellen lässt durch den Tod Jesu Christi, der für mich stellvertretend am Kreuz gehangen haben soll. Fort mit solchen Theorien. Wenn ich selig werden soll, dann muss mir das durch eigene Anstrengungen gelingen!" Erregt springt er auf.
"Nun verstehe ich Sie", erwidert der Geschäftsfreund, "jetzt weiß ich, was Ihnen so zu schaffen macht, sie nehmen an, Sie hätten ein Recht, Ihren eigenen Erlösungsweg zu konstruieren; damit verwerfen Sie aber den göttlichen Heilsplan und treten ihn mit Füßen."
"Wie meinen Sie das?" fragt der Bankherr verblüfft. "Nun hören Sie mal zu! Angenommen, ein Mann käme zu Ihnen und würde sagen: ,Herr Direktor, verzeihen Sie bitte, ich bin in großer Verlegenheit. Könnten Sie mir eine größere Summe Geld leihen?' Nun sagen Sie, wer hätte da das Recht, die Bedingungen und Grundsätze festzulegen, nach denen das Geld verliehen würde: Sie als Bankier, als Besitzer, oder der um Hilfe bittende Mann?"
"Das ist doch keine Frage: Ich natürlich! Er müsste auf meine Bedingungen eingehen, ehe er das Geld erhalten könnte", antwortet der Bankier.
"Stimmt. Und sehen Sie nicht, mein Herr, dass das genau Ihre Lage ist? Sie sind der arme, hilflose Sünder, verloren und am Ende; Gott ist der große Bankier. Sie kommen zu ihm mit der Bitte um Vergebung und Erbarmen. Wollen Sie mir sagen, wer das Recht hat, die Grundsätze und Bedingungen festzulegen, nach denen Sie seine Erlösung annehmen können? Bitte, bedenken Sie: hier sind Sie der Hilfsbedürftige, während Gott der reiche Bankherr ist."
"Nanu, so habe ich die Sache noch nie gesehen", antwortete der Bankier in ehrlichem Erstaunen. "Natürlich bin ich in dem Fall nicht in der Lage, die Bedingungen zu diktieren. Dazu hat Gott das Recht, nur er allein."
"Und trotzdem haben Sie sich einen eigenen Erlösungsplan zurechtgemacht, aber dabei haben Sie ganz vergessen, dass Bettler nichts vorzuschreiben haben, sondern nur annehmen. Die ganze Zeit bietet Ihnen Gott, der große himmlische Bankier, seine Erlösung nach seinem Heilsplan an. Wollen Sie jetzt Ihren eigenen Selbsterlösungsplan aufgeben und Gottes Heilsweg annehmen? Sind Sie bereit, Gott zu begegnen auf Grund seiner Bedingungen?"

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 612
© Alle Rechte vorbehalten