Wer den Sand festhält

Ein Jugendleiter erinnert sich:
Wir waren mit einer Gruppe junger Menschen auf der Insel Föhr in der Nordsee. Am Strand saßen wir beieinander. Spielerisch ließen wir den feinen Sand durch unsere Finger rieseln. Außer uns jungen Leuten hatten wir einen betagten, lebenserfahrenen Mann in unserer Mitte. Er machte uns das Spiel mit dem Sand durch einen einzigen Satz zu einer Lebensweisheit, die ich nie vergessen werde. Er sagte ganz unvermittelt: "Haltet doch den Sand ganz fest." Wir schlossen daraufhin unsere Hände zur Faust und machten die Feststellung: Je kräftiger wir die Faust schlossen, desto rascher rieselte der Sand durch die gekrümmten Finger. Eine Erklärung war nicht mehr nötig. Unser lieber alter Begleitmann hatte uns deutlich gemacht: Je fester wir den Sand fassen wollten, desto rascher entglitt er unserer Hand.
Gelegentlich werde ich an das Spiel mit dem Sand in der Faust erinnert, wenn ich bei mir selber oder auch bei einem meiner Mitmenschen den Ansatz zum Geiz feststellen muss. Natürlich werden Sie sich genauso wie ich auch entrüstet gegen den Vorwurf des Geizes verwahren. Dieses Wort hat einen Klang, den wir gerne im Mittelalter suchen. Wir stellen uns dabei einen alten Holzschnitt vor, auf dem ein typischer Geizkragen dargestellt ist, der auf einem mit Dukaten gefüllten Sack sitzt. Diesen dukatengefüllten Sack haben wir nicht mehr. Dass unser Sparbuch dasselbe darstellen kann, wollen wir nicht wahrhaben.

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 637
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