Wenn nicht als Heiliger, so doch als Sünder
Ich fühle oft, meine Brüder, dass ich nicht anders, denn als ein Sünder zum Kreuz kommen könnte. Ich denke, ich habe euch dieses Gleichnis schon einmal erzählt.
Da war einst ein großer König, welcher jeden Tag seine Tafel decken ließ und da waren zwei Klassen von Leuten, welche das Recht hatten, zur Tafel zu kommen. Rings um den König her, zu seiner Rechten und Linken saßen die von königlichem Geblüt und die Edlen vom höchsten Range. Sie kamen in ihrem Staatsgewändern und waren willkommen und konnten ihre Plätze einnehmen.
Am anderen Ende der Tafel - so hatte der König seinem Haushofmeister in seinem Wohlwollen befohlen - waren viele Gedecke für Bettler serviert. Wenn da zu irgendeiner Zeit Heimatlose oder Arme oder Zerlumpte als Hungrige in der Stadt waren, die ihre Armut nachweisen konnten, so durften sie kommen und an der Tafel des Königs sitzen. So war es bekannt gemacht worden.
Nun trug es sich einmal zu, dass ein Prinz von Geblüt nach seinem Dafürhalten seinen Besitztitel und sein Vermögen verlor. Ihm kam auch sein Geburtsregister abhanden und er fing an zu fürchten, dass das, was er jemals besessen, wohl nie sein rechtmäßiges Eigentum gewesen sei. Er sagte sich, dass er vielleicht ein untergeschobenes Kind sei, denn so etwas soll wirklich vorkommen. Was er für sein Vermögen gehalten hatte, war vielleicht gar nicht sein Eigentum gewesen. Als nun die Zeit zur Tafel kam, war es ihm, als dürfe er es gar nicht wagen, seine schönen Kleider anzulegen; es konnte ja sein, dass man ihn als Betrüger entlarven werde. Aber da stellte er folgende Betrachtung an: "Wenn ich bisher wirklich ein Betrüger war und nicht der wirkliche Sohn eines in Aufsehen stehenden Vaters gewesen bin; wenn das Vermögen und die vielen Edelsteine, die ich habe, nicht mein sind, so bin ich ein Bettler und habe nichts." So legte er denn seine feinen Kleider ab und kaufte sich ganz gewöhnliche. "Irgendwie muss ich an des Königs Tafel sitzen," sagte er; "und wenn ich nicht als Prinz gehen kann, so komme ich als Bettler und so muss ich doch auf eine Weise teil an dem Mahle haben."
Brüder, das habe ich oft tun müssen und ich rate euch, die ihr mit Zweifeln und Befürchtungen zu kämpfen habt, dasselbe zu tun. Wenn Jesus Christus euch nicht als Heilige oder als Kinder Gottes aufnehmen kann und wenn ihr nicht als solche zu Ihm kommen könnt, so erinnert euch dessen, dass "Dieser nimmt die Sünder an uns isst mit ihnen." (Lk. 15,2)
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