Wenn ein Kavalleriepferd die Marschmusik hört

Der Meister ist da und ruft dich.      Johannes 11,28

Es war nach den Kriegsjahren 1870-71, da stand im Stalle ein elendes, abgedientes Kavalleriepferd, das den glorreichen Krieg mitgemacht und seinen tapferen Reiter in manche blutige Schlacht hineingetragen hatte. Matt und müde stand es da, selbst den schönen Hafer in der Krippe vor ihm mochte es nicht anrühren, es war eben elend und müde, und alles auf der Welt war ihm gleichgültig, so schien es.
Da plötzlich zuckt es zusammen und spitzt das Ohr, es hebt den Kopf und reckt den Hals - von fern her dringt ein Ton an sein Ohr, ein wohlbekannter, lieber Ton - der Ruf zur Schlacht! Ein Kavallerie-Regiment kommt heran, und die alte, oft gehörte Marschmusik klingt hell in den Stall des einsamen Rosses.
Wie es ihm da durch die müden Glieder zuckt! Es reckt und streckt sich, es schüttelt die Mähne, es scharrt mit dem Fuß, es zerrt an der Kette und sucht sich gewaltsam loszureißen, hinaus zur Schlacht! Die Schlachtmusik ruft!
Und wir? Wenn wir den Ruf hören, der uns aufwecken und uns zu schnellem, freudigem Gehorsam bringen sollte, wir verhalten uns meist so still und regungslos, als ginge er uns gar nichts an. Kennst du denn die liebe Stimme nicht? Hat sie nicht schon oft nach dir gerufen? Werde doch wach, werde lebendig! Der Meister ist da und ruft dich!

Quelle: Unbekannt
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