Was nützten die Flügel, wenn man nicht fliegt?

Der dänische Theologe Sören Kierkegaard verglich die Christen einmal mit Gänsen, die auf einem Hof leben. An jedem siebten Tag wird eine große Parade veranstaltet. Dabei steht der beredsamste Gänserich auf dem Zaun und schnattert über das Wunder der Gänse. Dabei erzählt er Beispiele aus der Geschichte der Vorfahren. Immer wieder aber wird auf die herrlichen Zeiten verwiesen, in denen einst die Ahnherren sogar zu fliegen wagten und dabei ganze Erdteile überquert haben sollen. Der Redner lobt die Gnade und Barmherzigkeit des Schöpfers, der den Gänsen Flügel und den Instinkt zum Fliegen gab. Dabei sind die Gänse tief beeindruckt, senken in Ergriffenheit die Köpfe und drücken die Flügel fest an den Körper. Auf dem Weg nach Hause loben sie dann noch lange die gute Predigt und den beredsamen Gänserich. Aber das ist auch alles. Eines tun sie nämlich nicht - sie fliegen nicht, sie machen nicht einmal den Versuch. Sie fliegen nicht, denn das Korn war gut, und der Hof ist sicher.

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 712
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