Verpasste Gelegenheiten

Ein junges Mädchen, das einzige Kind frommer Eltern, wurde begraben. Sie war eine äußerst begabte, lebensfrohe Jungfrau gewesen. Von einem heftigen Fieber ergriffen, verlor sie das klare Bewusstsein und war am vierten Tage bereits in der Ewigkeit.
Die Eltern baten nun einen Geistlichen der Stadt, bei der Beerdigung die Ansprache zu halten. Dieser wandte sich dann an den Leiter der Gemeinschaft, der die Eltern angehörten und deren Versammlungen Maria auch regelmäßig besucht hatte und fragte ihn, ob die Verstorbene ein Eigentum des Heilandes gewesen sei. Der Prediger antwortete: "Ich befürchte, nicht! Ich hatte vor etwa drei Wochen den Eindruck, ich solle mit Maria über ihr Seelenheil reden, dann aber kamen andere Sachen dazwischen und so dachte ich, ich könnte ja immer noch einmal mit ihr sprechen, da sie ja regelmäßig in die Versammlung komme. Nun aber ist sie tot und ich befürchte, sie starb ohne Jesus."
Hierauf wandte sich der Geistliche an die Sonntagsschullehrerin der Verstorbenen und richtete an sie dieselbe Frage: "Ach", sagte diese, "ich glaube fast, sie kannte den Heiland nicht. Ich hatte vor etwa vierzehn Tagen den Eindruck, ich solle sie auf Jesus hinweisen, aber ich ließ andere Dinge vorgehen und meinte, ich könne es doch ja immer noch tun. Nun ist sie tot und ich bereue es tief, nicht mit ihr gesprochen zu haben."
Schließlich fragte der Geistliche die Mutter des Kindes - doch ach, diese brach in Tränen aus und sagte ebenfalls: "Ich glaube nicht, dass meine Tochter gerettet war. Ich hatte vor acht Tagen einen starken Drang, mit ihr über ihr Seelenheil zu reden; doch schob ich es auf, da ich sie ja immer bei mir zu haben und bei gegebener Gelegenheit mit ihr sprechen zu können meinte. Nun ist sie tot und ich befürchte, sie war nicht in Christus."

Quelle: Der ewig reiche Gott, Dietrich Witt, Beispiel 1212
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