Vergiss nie, dass du ein Ravenstein bist

"Vergiss nie, dass du ein Ravenstein bist", so sagte ein alter Edelmann beim Abschied seinem Sohne; "wenn je die Versuchung zu ehrlosem Tun an dich herantreten sollte, so sage dir: ,So etwas tut ein Ravenstein nicht!'" - Der Sohn versprach es. An der Universität traf er einen weisen Ratgeber, der auch zum Geschlecht der Ravensteiner gehörte. Dem erzählte er mit Stolz das Mahnwort, das ihm der Vater mit auf den Weg gegeben. 
Der Alte schüttelte seinen Kopf und sagte: "Mein Lieber, wenn ich heute an all das denke, was ich in meinem Leben getan habe, dann kann ich nur mit Grauen die Worte hören: ,So etwas tut ein Ravensteiner nicht!' Sei sicher, wenn es irgendeine Lumperei gibt, so ist sie auch schon von einem Ravensteiner oder einer Ravensteinerin vollbracht worden. Ich sage dir heute umgekehrt: "Vergiss nie, welche gefährliche Erbschaft du in dir trägst, wir haben riesige Schufte und heimliche Banditen unter uns gehabt..'" 
Der Junge unterbrach den Alten: "Ich ahne, dass Ihr unbedingt Recht habt, aber woran soll ich mich halten?" 
Er rief ihm zu: "Vergiss, dass du ein Ravensteiner bist, aber vergiss nicht, dass du ein Gotteskind bist und dass Gott Mensch wurde, um dich an diese deine vornehmste Herkunft zu erinnern; in allem Zwiespalt des Lebens habe Gott vor Augen und im Herzen." 
Wir tragen den Rock des höchsten Königs. Welche Schande, ihn zu beschmutzen oder ihn zu verunehren! Christen stehen im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Den Mitmenschen entgeht nichts. Der feinste Staub fällt auf. Es ist verständlich, dass sie von uns auf den Herrn schließen. "Wie der Herr, so's Gescherr!"

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 630
© Alle Rechte vorbehalten